Zwei Ingenieure arbeiten mit einem Laptop und Bauplänen an einem Solarfeld

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"Eine Umbruchsituation ist immer der richtige Zeitpunkt, um aktiv zu werden", ist Dr. Andreas Sichert überzeugt. Er hat die Orcan Energy GmbH gegründet und ist Mitglied im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums. „Sie ist ideal für innovative, schnell agierende Spieler, die mit einer zündenden Idee aktiv werden können. Dazu kommen die Rahmenbedingungen in Deutschland: Wir haben weltweit einmalig gut ausgebildete Fachkräfte an den Hochschulen und im Handwerk. Das ist etwas, worum uns das Ausland beneidet. Deswegen: Wenn man Energietechnik entwickeln möchte, ist Deutschland in Puncto Qualifikation sicherlich ein sehr guter Standort." Dr. Andreas Sichert hat sich zusammen mit Dr. Andreas Schuster und Richard Aumann bereits im Jahr 2008 beruflich auf eigene Füße gestellt. Mit finanzieller Hilfe von EXIST-Forschungstransfer hatte das Team an der Technischen Universität München ein sogenanntes ePack entwickelt: kleine dezentrale Kraftwerke, die aus der Abwärme aus Industrie, Verkehr und Energieerzeugung Strom gewinnen. Energie wird sozusagen zu Strom recycelt.

Offshore-Windkraftanlagen am Horizont

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Geschäftsmodelle flexibel halten

Gute Chancen haben Gründerinnen und Gründer vor allem dann, wenn sie ihr Geschäftsmodell flexibel anpassen können. Nicht zuletzt weil die regulatorischen Rahmenbedingungen bislang eine große Herausforderung für Start-ups sind. Die Gründe dafür kennt Professor Eckhard Weidner vom Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT: "Das Regelwerk hat sich in den letzten drei bis fünf Jahren immer wieder kurzfristig geändert. Nach unserer Erfahrung stehen Start-ups daher vor allem vor der Herausforderung, die Entwicklung der Gesetzeslage vorherzusagen. Unsere Ausgründungen erstellen daher beispielsweise in ihren Businessplänen verschiedene Szenarien, so dass sie flexibel reagieren können." Die Erfahrung, dass man sich auf dem Energiemarkt schnell an neue Verhältnisse anpassen muss, hat Jochen Schwill, Gründer der Next Kraftwerke GmbH, bereits in seiner unternehmerischen Startphase vor vier Jahren gemacht: "Der Markt hatte sich damals anders entwickelt, so dass wir gesehen haben, dass die Produkte, die wir anbieten, unter diesen Bedingungen nicht funktionieren konnten und von unseren Kunden nicht angenommen wurden. Wir mussten also in eine komplett andere Richtung denken, neue Produkte entwickeln und ganz neu kalkulieren. Aber ich glaube, dass das auch unser großer Vorteil ist, dass wir gelernt haben, besonders schnell reagieren zu können." Eine solche Anpassung an neue Gegebenheiten ist natürlich nicht in jeder Sparte und für jedes Unternehmen möglich. Insbesondere dann, wenn die Produktenwicklung langwierig ist und einen hohen Aufwand erfordert. Letztlich kommt es auf die Branche, das Geschäftsmodell, den Markt und den Gründungszeitpunkt an.

Eine Gruppe von Menschen sitzt um einen runden Tisch, der mit einer Solarzelle und diversen Plänen bedeckt ist

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Schlüssel zum Erfolg: starke Partner

Ob eine Geschäftsidee schließlich zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte wird, hängt vor allem von den richtigen „Türöffnern“ ab: Gerade in der innovativen Energiebranche brauchen Start-ups Kapitalgeber und Kooperationspartner, die bereit sind, junge Unternehmen unter Umständen über mehrere Jahre zu begleiten. Dabei erfordert nach Erfahrung von Jochen Schwill von Next-Kraftwerke gerade der Energiemarkt eine enge Verknüpfung zwischen etablierten und jungen Unternehmen: "Es geht um die Integration der erneuerbaren Energien in das bestehende Energiesystem. Das bedeutet für Gründer, sich frühzeitig Gedanken darüber zu machen, wie man seine Innovation integrieren kann." Als Kooperationspartner kommen dabei nicht nur die großen Energieversorger in Frage. Es gibt jede Menge innovative Mittelständler, die als hochinnovative Hidden Champions auf dem Weltmarkt führend und an Kooperationen mit jungen Unternehmen interessiert sind; beispielsweise im Anlagenbau oder im Mess- und Steuerungsbereich.

Gründung finanziert - und dann?

Im Unterschied zur Gründungsfinanzierung, betrachten Start-ups und Branchenexperten die Finanzierungssituation für junge innovative Unternehmen im Anschluss an die Seed-Phase als kritisch. Vielen Start-ups im Energiebereich steht für die Entwicklung von Pilot- und Prototypenanlagen sowie für die Markteinführung zu wenig Kapital zur Verfügung. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die EXIST-Förderung daher im vergangenen Jahr weiter optimiert und stärker an die Bedürfnisse von „Energie-Gründungen“ angepasst. Auch die regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen bei einer Finanzierung durch den High-Tech Gründerfonds sowie privates Venture Capital wurden verbessert.

Gerade im Vergleich zu den USA, gestaltet sich jedoch der Zugang zu Wachstumskapital in Deutschland noch schwierig, so Dr. Andreas Sichert: "Um im Energiebereich erfolgreich zu sein, muss ich in der Lage sein, mein Geschäftsmodell zu skalieren. Dazu braucht man eine entsprechende Finanzierung: Unter dem Strich kann man sagen, dass man für das gleiche Unternehmen in den USA sechsmal so viel Wachstumskapital wie in Deutschland erhält. Wenn wir das in Deutschland schnell und sinnvoll pragmatisch gelöst bekommen könnten, würden wir unsere Stärken und dieses einmalige Projekt ‚Energiewende‘ in außerordentliche unternehmerische Erfolge und Arbeitsplätze auf breiter Basis umsetzen.“