Grüne Weltkugel mit Händen: Social Entreprenuership – Motiv

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Zunächst einmal zur Begriffserklärung nach dem BMWK-Praxisleitfaden zum Thema: Soziale Start-ups haben sich zum Ziel gesetzt, neue Produkte oder Dienstleistungen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu entwickeln und zu verbreiten. Im Unterschied zum klassischen Unternehmen, dessen Ziel darauf gerichtet ist, durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen am Markt das Vermögen der Eigentümer zu mehren, verfolgen Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer (Social Entrepreneurs) das Ziel, mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt zu leisten. Ihre Geschäftsmodelle orientieren sich nicht nur am Markt, sondern vor allem an den Bedürfnissen der Gesellschaft.

Das Thema ist zwar nicht ganz neu, hat aber eine moderne Ausrichtung: Seit hunderten von Jahren existieren in Deutschland sozial-karitative Einrichtungen, die unterschiedliche Leistungen für benachteiligte oder bedürftige Personen anbieten. Heute sind diese meist unternehmerisch organisiert. Finanziert werden sie in der Regel nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien, sondern auf Basis gesetzlicher Regelungen, aus öffentlichen oder privaten Förderungen. Manche gesellschaftlichen Herausforderungen – wie z. B. marktgängige Antworten auf ökologische Problemstellungen, die Entwicklung nachhaltiger Produktionsweisen oder eine Veränderung des Konsumverhaltens größerer Bevölkerungsschichten – betrachten sie allerdings nicht als ihre Aufgabe. Im Unterschied hierzu definieren Sozialunternehmen neueren Typs den Begriff „social“ im angelsächsischen Sinne als „gesellschaftlich“ und den Begriff „Entrepreneur/-in“ als Innovator/-in.

Soziale Start-ups bezeichnet man auch als Impact Unternehmen, denn sie richten sich an den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN aus. Mit diesen 17 Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen, sollen Unternehmende unter anderem extreme Armut und Ungerechtigkeit angehen oder einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten.

Hochschulen als Förderer von sozialen oder ökologischen Potenzialen

Soziales Entrepreneurship ist ganz wesentlich für unsere Gesellschaft, da es das Potenzial hat, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunftsaufgaben anzugehen und zu bewältigen. Deshalb wird das Thema Social Entrepreneurship Education auch immer bedeutsamer für unsere Hochschulen. „Bei Social Entrepreneurship Education geht es um viel mehr als die Vermittlung von Kompetenzen zur Gründungsförderung. Es geht um die Vermittlung von Zukunftskompetenzen wie Gestaltungs- und Lösungskompetenz und einen ganzheitlichen Blick auf systemische Wechselwirkungen“, erklärt Daniela Deuber, Geschäftsführerin des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND). Unsere Gesellschaft muss die sozialen Herausforderungen wie auch die drohenden Umweltprobleme auf unserem Planeten angehen, und dafür braucht es eine neue Generation an sozialen Innovatorinnen und Innovatoren. Die Förderung von sozialem Unternehmertum an Hochschulen weckt das kreative Potenzial von jungen Studierenden und befähigt sie, sich aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen.
Gleichzeitig ist derzeit noch die Finanzierung die größte Hürde für mehr soziales Entrepreneurship in Deutschland. Dazu gehört etwa zu wenig gezielte Anschlussfinanzierung, laut dem Deutschen Startup Monitor 2021. Auch hier gibt es noch Potenzial der Hochschulen, mehr auf diese Thematik hinzuarbeiten.

Eine Geflüchtetenunterkunft bauen

Ein Beispiel für ein erfolgreiches soziales Start-up aus dem universitären Bereich ist das KATAPULT Magazin, das sich 2015 mit Unterstützung des EXIST-Gründerstipendium an der Universität Greifswald gegründet hat. Das Magazin ist das erste seiner Art, das sich speziell auf Kartografik und Sozialwissenschaft fokussiert. Bei diesem Unternehmen erhalten alle Mitarbeitenden, inklusive des Gründers und Geschäftsführers Benjamin Fredrich, dasselbe Gehalt. Er erklärt: „Auch ich bekomme, was alle bekommen.“ Zusätzlich pflanzt das Team Bäume und baut eine Geflüchtetenunterkunft. „Für die Redaktion gilt: Wir berichten nicht nur, wir überlegen auch, was wir falsch machen und verändern können. Und das setzen wir dann um“, erklärt Benjamin Fredrich.

Ein weiteres gelungenes Beispiel ist das Start-up Inventied, das Lösungen für den Katastrophen- und Zivilschutz entwickelt: Über ein Ehrenamt beim Technischen Hilfswerk (THW) kamen drei EXIST-Gründer der Hochschule Kaiserslautern auf die Idee, ihr Hobby zum Geschäft zu machen. Mithilfe von EXIST-Gründerstipendium gründeten die Wirtschaftsingenieure eine UG, um „Leben zu retten“, so Co-Gründer Lukas Kalnik. Er erklärt: „Unser erstes Produkt ist ein modulares Gestell für Lkw-Anhänger, mit dem alle notwendigen Einsatzmaterialien des THW für Rettungsaufgaben ergonomisch, sicher und dauerhaft verladen werden können. Die Einsatzkräfte können im Katastrophenfall ohne mühsame und zeitaufwendige Einsatzvorbereitung ausrücken, wodurch sie ausgeruht und schnell zum Einsatzort gelangen, um Menschen in Not zu helfen.“

Von 170 Entrepreneurship-Professuren haben nur vier einen Social-Entrepreneurship-Schwerpunkt

Das Online-Medium Katapult wie auch Inventied für Katastrophenschutz haben sich beide aus ihren jeweiligen Hochschulen ausgegründet. Doch das Thema ist noch zu wenig flächendeckend vertreten: Daniela Deuber von SEND kritisiert, dass von den insgesamt 170 Entrepreneurship-Professuren in Deutschland nur vier einen Schwerpunkt mit Social Entrepreneurship haben – noch zu wenige. Hinzu komme, so Deuber, dass nachhaltigkeitsbezogene Angebote an Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit 6,3 Prozent zu den am geringsten genutzten Unterstützungsangeboten gehören (Quelle: Deutscher Startup Monitor 2021). Ein Grund dafür ist, so erklärt es der Green Startup Monitor 2022, dass bislang nur wenige Hochschulen solche Angebote unterbreiten. Daniela Deuber resümiert: „Es gibt eben bislang kaum ernsthafte Angebote. Da bis jetzt eine strukturelle Verankerung in Lehre und Gründungsförderung noch nicht in der Praxis angekommen ist, freuen wir uns sehr, dass Studierende selbst aktiv werden und z. B. über INFINITY Deutschland e. V., einem bundesweiten Studierendennetzwerk für Social Entrepreneurship, an immer mehr Universitäten eigene Angebote schaffen.“

Social Entrepreneurship an Hochschulen verankern

Jedoch gibt es bereits mehrere Hochschulen mit langjährigen und erfolgreichen Unterstützungsangeboten, wie beispielsweise an der HNE Eberswalde, an der Social Academy München, an der Uni Oldenburg und anderen. Ein weiteres gesellschaftlich relevantes Angebot kommt von der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH). Als größte staatliche SAGE-Hochschule in Deutschland steht bei ihr die Fächerkombination Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung und Bildung im Vordergrund. Die Hochschule wird mit EXIST-Potentiale im Schwerpunkt „Potentiale heben“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Mit EXIST-Potentiale will das BMWK zum einen die durch EXIST-Gründungskultur in den vergangenen Jahren entstandenen Gründungsnetzwerke an Hochschulen weiter entwickeln und zum anderen kleine und mittlere Hochschulen unterstützen, die bislang noch keine EXIST-Förderung in Anspruch genommen haben.

Mithilfe von EXIST-Potentiale will die Alice Salomon Hochschule eine soziale Gründungskultur mit sozialen Innovationen etablieren und Social Entrepreneurship als solche an der Hochschule verankern. „Wir bieten auch für Lehrende Veranstaltungen zu diesem Thema an. Für Studierende halten wir ein umfangreiches Workshop-Angebot bereit, in dem die wichtigsten Skills für Gründerinnen und Gründer vermittelt werden. Das wollen wir langfristig als Studium Professionale etablieren. Es gibt auch Formate, bei denen Studierende ins Gespräch mit erfahrenen Gründerinnen und Gründern sowie Unternehmenden kommen“, sagt Prof. Dr. Uwe Bettig, der den Lehrstuhl für Management & BWL innehat sowie Veranstaltungen zum Thema Unternehmensgründungen durchführt. Die ersten Best-Practice-Beispiele können sich sehen lassen, von den praktischen Erfahrungen der ASH Berlin sollen später auch andere Hochschulen profitieren.

Weitere Informationen zum Thema:

4. Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2021/2022 (PDF-Download)

Green Startup Monitor 2022 (PDF-Download)

GründerZeiten Nr. 27: Soziales Unternehmertum (PDF-Download)

Jahrbuch „Das ist EXIST 2021“

Praxisleitfaden Soziales Unternehmertum des BMWK (PDF-Download)

Stand: Juni 2022