Helmut Schönenberger, Geschäftsführer der UnternehmerTUM

Helmut Schönenberger, Geschäftsführer der UnternehmerTUM

© UnternehmerTUM

„Wir könnten das Konzept Frau Klatten vorstellen“, erwiderte der damalige Präsident der Technischen Universität München, Prof. Dr. Wolfgang Herrmann, als der Student Helmut Schönenberger ihm vorschlug, ein Gründungszentrum an der TU München (TUM) aufzubauen. Das war vor über 20 Jahren. Seit der Gründung ist Helmut Schönenberger - inzwischen selbst promoviert sowie zum Honorarprofessor und Vice President Entrepreneurship der TUM ernannt - Geschäftsführer von UnternehmerTUM und Susanne Klatten die Vorsitzende des Aufsichtsrates von UnternehmerTUM.

Susanne Klatten: Unternehmerin und gesellschaftlich sehr engagiert. Sie war gleich angetan von dem Konzept, das ihr Helmut Schönenberger vorstellte: „Ich hatte damals an der TU München ein Management-Aufbaustudium absolviert und in meiner Abschlussarbeit mit dem Titel ‚Universitäten als Motor von Gründungsnetzwerken‘ die Stanford University im Silicon Valley mit der TU München verglichen. Daraus ist dann die Idee eines Entrepreneurship Centers an der TU München entstanden“, so Prof. Dr. Helmut Schönenberger.

UnternehmerTUM in München

Mit der Private-Public-Partnership betrat die TU München Anfang 2000 Neuland. Von Start-ups, geschweige denn einer Start-up-Szene, sprach damals fast niemand in Deutschland. Ausgründungen aus Hochschulen waren noch längst kein Hype so wie heute. Doch die Münchener erkannten den Trend. Nach dem Vorbild US-amerikanischer Universitäten sollten mit UnternehmerTUM Gründerinnen und Gründern an der Hochschule erstmals im großen Stil betreut werden. Für Aufbau und Betrieb stellte Susanne Klatten Geld aus ihrem privaten Vermögen zur Verfügung.

Meeting von Startup-Gründern

© Getty Images

Heute ist die UnternehmerTUM GmbH mit über 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Europas größtes Gründungs- und Innovationszentrum. Mehr als zwei Drittel des Budgets erwirtschaftet es mit privatwirtschaftlichen Innovations- und Gründungsaktivitäten. Ein Drittel der Aktivitäten wird über Spenden und staatliche Zuschüsse finanziert. Angesiedelt auf dem Forschungscampus Garching stehen Gründungsinteressierten aus der ganzen Welt Beratung, Büroflächen, Inkubatoren, BootCamps und zahlreiche weitere Angebote zur Verfügung, darunter ein MakerSpace, in dem Unternehmen, Start-ups und Kreative auf 1.500 Quadratmetern Prototypen und Kleinserien anfertigen können. „Jedes Jahr bringen wir etwa 50 wachstumsstarke Technologie-Gründungen an den Start“, freut sich Prof. Dr. Helmut Schönenberger. Pro Jahr beteiligen sich etwa 5.000 Gründungsinteressierte und Start-ups an den Veranstaltungs- und Trainingsprogrammen, besuchen die TUM-Gründungsberatung und feilen an ihren Gründungsideen in Inkubatoren, Acceleratoren und einem Makerspace.

„Let US start!“ in Stuttgart

Inspiriert von der Münchener UnternehmerTUM ist seitdem eine Reihe weiterer Gründungszentren, Inkubatoren oder auch Acceleratoren an Hochschulen mit Unterstützung erfolgreicher Unternehmerinnen, Unternehmer oder auch deren Stiftungen entstanden. Wie zum Beispiel in Stuttgart. Dort engagiert sich die Vector-Stiftung bereits seit vielen Jahren landesweit in Umwelt-, Sozial- und Bildungsprojekten. Ins Leben gerufen wurde die gemeinnützige Stiftung von den (ehemaligen) Unternehmern Eberhard Hinderer, Martin Litschel und Dr. Helmut Schelling. Letzterer antwortet auf die Frage, warum die drei sich zur Gründung dieser Stiftung entschlossen hatten: „Nachdem wir 1988 die Vector Informatik GmbH zu dritt gegründet hatten, entwickelte sich unsere Ingenieurgesellschaft über alle Erwartungen hinaus sehr, sehr erfolgreich. An diesem Erfolg wollten wir die Allgemeinheit teilhaben lassen. Deswegen haben wir 2011 insgesamt 60 Prozent unserer Unternehmensanteile in die Vector-Stiftung übertragen und damit eine gemeinnützige Stiftung gegründet, die unter anderem soziale Projekte, Bildung im MINT-Umfeld und eben auch Entrepreneurship an Schulen und Hochschulen fördert.“

Helmut Schelling, Gründer der Vector Informatik GmbH sowie Stifter und Stiftungsrat der Vector Stiftung

Helmut Schelling, Gründer der Vector Informatik GmbH sowie Stifter und Stiftungsrat der Vector Stiftung

© Vector Informatik GmbH, Stuttgart; Foto: Bernhard Kahrmann

Die drei Stifter möchten dazu beitragen, dass die Region im Südwesten Deutschlands auch weiterhin prosperiert. Eine große Herausforderung, denn viele der international bekannten Maschinenbau-, Anlagentechnik- oder Automobilunternehmen im Raum um Stuttgart befinden sich in einer Transformationsphase. Für Dr. Helmut Schelling ist klar, was das bedeutet: „Wir brauchen hier in der Region ein Umfeld sowohl von neuen innovativen Unternehmen als auch von hochqualifizierten Fachkräften mit unternehmerischem Know-how. Die Entwicklung in diese Richtung wollen wir unterstützen.“ Die Vector Stiftung hat daher schon vor einigen Jahren mit dem Programm „Let US start!“ die ersten Pflöcke eingeschlagen, um Gründungsinteressierten an der Universität Stuttgart auf die Sprünge zu helfen.

Für den Aufbau des Projekts hat die Vector Stiftung unter anderem eine Personalstelle finanziert - ‚US‘ steht übrigens für Universität Stuttgart. Die hat die Stelle auch besetzt. „Dabei hat die Uni eine glückliche Hand gehabt“, stellt Dr. Helmut Schelling zufrieden fest: „Mit Dr. Eric Heintze wurde jemand verpflichtet, der die Gründungsförderung mit viel Herzblut aufgebaut hat.“ „Let US start!“ richtet sich an Studierende, Absolventinnen und Absolventen, die aus einem umfangreichen Informationsangebot wählen können. Sei es ein Start-up-Planspiel, Ringvorlesungen, Seminare oder auch der sechswöchige Intensivkurs AWAKE, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen, Businesspläne zu erstellen, Kundeninterviews zu führen und ihre Ideen potenziellen Investoren zu präsentieren.

Darüber hinaus stehen Workshops und der Austausch mit erfolgreichen Gründungspersönlichkeiten zur Verfügung. Dr. Helmut Schelling: „Ein solches Angebot gab es an der Universität Stuttgart zuvor nicht. Wir hatten uns daher UnternehmerTUM zum Vorbild genommen und das Projekt mit Unterstützung der Münchener aufgebaut. Das war eine tolle Kooperation. Da gab es auch keine Berührungsängste – weder, dass die Münchener nichts hergeben wollten, noch, dass die Stuttgarter es nicht annehmen würden. Jetzt, nach drei Jahren, haben wir so viel Schwung reingebracht, dass die Uni Stuttgart aus eigener Kraft weitermachen kann.“

Gründungsinteressierte Studierende an der Universität Stuttgart bei „Let US Start“

Gründungsinteressierte Studierende an der Universität Stuttgart bei „Let US Start“

© Vector Informatik GmbH, Stuttgart; Foto: Bernhard Kahrmann

Campus Founders in Heilbronn

Der Region verbunden ist auch die gemeinnützige Dieter Schwarz Stiftung, eine der größten Stiftungen Deutschlands. Ins Leben gerufen von Dieter Schwarz, Gründer der Schwarz-Unternehmensgruppe, unterstützt die Stiftung seit 1999 zahlreiche Bildungs- und Wissenschaftsprojekte sowie die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Darüber hinaus setzt sie sich für die Gründungskultur in der Region Heilbronn-Franken ein. Dazu wurde 2018 die Campus Founders gGmbH gegründet. Sie hat ihren Sitz auf dem Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung. Dort befinden sich eine Reihe von Hochschulen, darunter die Duale Hochschule Baden-Württemberg, die Hochschule Heilbronn, die Programmierschule 42 Heilbronn und sogar die TU München. Das Entrepreneurship- und Innovationszentrum Campus Founders ist insofern eine ideale Ergänzung. Auch hier hat man auf die Pionier-Erfahrungen der Münchener UnternehmerTUM-Gründungsakteure gesetzt. Oliver Hanisch, Geschäftsführer der Campus Founders gGmbH, zu den Zielen: „Unser Leitmotiv ist: Jeder Mensch kann lernen, unternehmerisch zu handeln. Unsere Mission ist, werteorientiert die nächste Generation von Gründerinnen und Gründern sowie Innovatorinnen und Innovatoren auszubilden“.

Oliver Hanisch, Geschäftsführer der Campus Founders

Oliver Hanisch, Geschäftsführer der Campus Founders

© Campus Founders

Eine wichtige Rolle spielt dabei das Student Entrepreneurship Program. Worum es dabei geht, erklärt Oliver Hanisch so: „Während der Großteil unserer Programme eher studien- oder berufsbegleitend ist, können sich die Studierenden beim Student Entrepreneurship Program sechs Monate lang ausschließlich ihren Ideen widmen. Dabei werden sie methodisch durch uns begleitet und erhalten sogar eine Vergütung. Die Teilnahme können sich die Studierenden als Pflichtpraktikum anrechnen lassen“.

Darüber hinaus stehen auf mehr als 1.000 Quadratmetern praxisnahe Bildungsangebote zu innovativen Methoden wie Design Thinking, Lean Startup oder Rapid Prototyping zur Verfügung. Unterstützt werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Coaches und Mentoren. Dabei sorgt das relativ neue Angebot bereits über die Heilbronner Grenzen hinweg für Aufmerksamkeit, freut sich Oliver Hanisch: „Wir hatten in der gerade beendeten Corporate Campus Challenge, einem Format, das Studierende mit etablierten Unternehmen in der Region zusammenbringt, das erste Mal sogar Studierende des KIT – Karlsruher Institut für Technologie und der Hochschule Pforzheim dabei. Unser Konzept, eine offene Plattform für alle Gründungsinteressierten in Baden-Württemberg zu sein, scheint also aufzugehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen dabei nicht ausschließlich von Hochschulen, es nehmen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Unternehmen oder andere nicht-akademische Gründungsinteressierte teil.“

Hasso-Plattner-Institut in Potsdam

Eine bekannte Größe unter den Stiftern, die dem Unternehmergeist in Deutschland auf die Sprünge helfen, ist zweifellos auch Hasso Plattner, Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender des Software-Unternehmens SAP. Er hat das Hasso-Plattner-Institut (HPI) als gemeinnützige gGmbH im Rahmen einer Public-Private-Partnership mit dem Land Brandenburg 1998 ins Leben gerufen. Auf dem Campus Griebnitzsee können Studierende ihren Bachelor und Master in den Studiengängen IT Systems Engineering sowie Data Engineering, Cybersecurity und Digital Health absolvieren. Das HPI kooperiert dabei mit der Universität Potsdam. Die aktuell 600 Studierenden sind an der Universität Potsdam immatrikuliert und die am HPI tätigen Professorinnen und Professoren werden gemeinsam mit der Universität Potsdam berufen und gehören der Digital-Engineering-Fakultät des HPI und der Universität Potsdam an.

Foyer des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam

Foyer des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam

© HPI/Kay Herschelmann

International wettbewerbsfähigen Führungskräftenachwuchs ausbilden, der die digitale Welt mitgestaltet und voranbringt: Das waren die Beweggründe für den gebürtigen Berliner Hasso Plattner, ein solches Institut zu gründen. Neben seinem Hauptsitz in Potsdam ist das HPI inzwischen auch in den USA, Israel, China und Südafrika vertreten. Dabei verfolgt das HPI nicht nur das Ziel, die IT-Expertinnen und -Experten von morgen auszubilden. Die Studierenden sollen auch gleichermaßen unternehmerische Skills entwickeln. Das Schlagwort heißt: Digital Entrepreneurship. Das unternehmerische Handwerkszeug dafür vermittelt die School of Entrepreneurship, kurz E-School, unter der Leitung von Dr. Frank Pawlitschek: „Mit der E-School unterstützen wir Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am HPI, unternehmerische Lösungen zu entwickeln und ihre Geschäftsideen umzusetzen. Dies geschieht in Ergänzung zur akademischen Ausbildung durch den Lehrstuhl IT-Entrepreneurship von Prof. Katharina Hölzle.“

Dr. Frank Pawlitschek, Leiter der School of Entrepreneurship (E-School) am Hasso-Plattner-Institut

Dr. Frank Pawlitschek, Leiter der School of Entrepreneurship (E-School) am Hasso-Plattner-Institut

© HPI/Kay Herschelmann

Nach dem Vorbild der Stanford Universität wurde zudem die HPI School of Design Thinking aufgebaut. Dort können Absolventinnen und Absolventen aller Fachrichtungen im Rahmen eines Zusatzstudiums lernen, in interdisziplinären Teams innovative Ideen für komplexe Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln. Überhaupt ist Interdisziplinarität den Potsdamern ein wichtiges Anliegen, nicht zuletzt bei der Zusammensetzung der Gründungsteams. Dr. Frank Pawlitschek ist sich sicher: „Unterschiedliche Charaktere und Sichtweisen auf bestimmte Problemstellungen und Lösungen machen Gründungen erfolgreicher. Wir arbeiten deshalb schon heute mit Hochschulen aus ganz Deutschland und dem Ausland zusammen, um Gründerinnen und Gründer zusammenzubringen. In Zukunft werden wir noch weitere Formate anbieten, die aus markt- und nachfragebezogenen Ideen Produkte und Unternehmen generieren.“

Letztlich gehe es doch allen Beteiligten darum, das Thema Entrepreneurship voranzubringen und einen guten Job zu machen. Oliver Hanisch ist überzeugt, dass durch ein kollaboratives Engagement von Hochschulen, Unternehmen und Partnern in der Region ein deutlicher Fortschritt erreicht werden kann.

Auch Prof. Schönenberger wünscht sich, dass sich Unternehmerpersönlichkeiten und Hochschulen in allen Regionen Deutschlands von den Erfolgsbeispielen in Potsdam, Stuttgart, Heilbronn und München anstecken lassen: „Es gibt so viele engagierte Familienunternehmen, die sich für gesellschaftliche Belange einsetzen. Wenn sich deren Inhaberinnen und Inhaber oder deren Stiftungen mit den Hochschulen in ihrer Region zusammensetzen und gemeinsam überlegen, wie sie den Gründungsgeist bei Studierenden wecken können, wäre das doch eine tolle Sache. Dies käme letztlich nicht nur der jeweiligen Region, sondern unserer Gesellschaft und Wirtschaft insgesamt zugute.“

Die Langfassung dieses Artikels finden Sie im Jahresheft „Das ist EXIST 2020“.