Dr. Christian Schröder

Dr. Christian Schröder

© Institut für Mittelstandsforschung Bonn

Dr. Christian Schröder ist Projektleiter beim Institut für Mittelstandsforschung Bonn und Mitverfasser der Studie „Kooperationen zwischen etabliertem Mittelstand und Start-ups“. Im folgenden Interview stellt er deren wichtigsten Ergebnisse vor.

Herr Dr. Schröder, Sie haben sich in der Studie mit den Motiven sowie Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Kooperationen zwischen mittelständischen Unternehmen und Start-ups beschäftigt. Welche Ergebnisse würden Sie besonders hervorheben?

Dr. Schröder: Aus meiner Sicht war es spannend festzustellen, dass die Kooperationen zwischen den etablierten Mittelständlern und Start-ups tatsächlich funktionieren. Es entstehen wirklich neue spannende Produkte und Dienstleistungen, unabhängig davon, in welcher Branche die Kooperation stattfindet. Von daher wundert es nicht, dass der überwiegende Teil der von uns befragten Mittelständler die Zusammenarbeit mit den Start-ups im Nachhinein als positiv bewertet hat.

Das widerspricht eigentlich den Ergebnissen vieler Unternehmensbefragungen, in denen sich mittelständische Unternehmen gegenüber einer Kooperation mit Start-ups eher zurückhaltend zeigen.

Dr. Schröder: Das stimmt. Dass es dennoch immer noch viele Unternehmen gibt, die bei dem Thema eher zurückhaltend sind, liegt womöglich auch daran, dass es vielen von ihnen derzeit sehr gut geht. Viele machen sich schlichtweg keine Gedanken darüber, ob ihr Geschäftsmodell auch noch in zehn Jahren funktioniert. Außerdem ist die Skepsis gegenüber Kooperationen mit Start-ups in weniger IT-affinen Branchen, wie beispielsweise dem Handwerk oder Baugewerbe, naturgemäß stärker ausgeprägt. Ein weiterer Punkt ist, dass unternehmerische Newcomer von etablierten Unternehmern oft nicht so ganz ernst genommen werden.

Bei allen Vorbehalten, aber auch Hoffnungen – wie würden Sie unter dem Strich das zukünftige Potential von Kooperationen bewerten?

Dr. Schröder: Ich würde sagen, dass das Kooperationspotenzial sehr hoch ist, aber noch nicht ausreichend von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt wird. Dabei ist der Mittelstand in vielerlei Hinsicht für die Zusammenarbeit mit Start-ups prädestiniert. Die Entscheidungswege sind kurz und flexibel aufgrund der Einheit von Eigentum und Leitung sowie flacher Hierarchien. Die Wertvorstellungen der Unternehmensinhaber sowohl aufseiten des etablierten Unternehmens als auch aufseiten des Start-ups sind meist sehr ähnlich.

Und die Vorteile liegen auf der Hand.

Dr. Schröder: Ja, die Start-ups profitieren in der Regel vom Zugang zu dem Kunden- und Lieferantennetzwerk des Unternehmens. Und der Mittelständler kann neue Technologien für sich nutzbar machen, um seinen Kunden einen Mehrwert zu bieten. Die Vorteile einer Kooperation kommen dabei vor allem dann zum Tragen, wenn beide Seiten die notwendigen Kompetenzen mitbringen, um gemeinsam eine neue passgenaue Lösung für ein Problem zu entwickeln.

Gibt es Kooperationsbeispiele, die Sie besonders beeindruckt haben?

Dr. Schröder: Da gab es einige. Zum Beispiel haben wir im Rahmen unserer Recherchen ein Textilunternehmen kennengelernt, das seine Kleidung online vertreibt. Dieses Unternehmen kooperiert mit einem Start-up, das eine App entwickelt hat, mit deren Hilfe die Kunden 3D-Aufnahmen von ihrem Körper erstellen können. Damit können sie die Kleidungsstücke quasi online anprobieren. Man sieht also direkt, ob einem die Hose oder das Jackett steht.

In der Studie heißt es unter anderem, dass Mittelständler mehr für eine innovationsfreundliche Kultur tun sollten. Wie kann die aussehen?

Dr. Schröder: Indem die Mitarbeiter beispielsweise ermuntert werden, Ideen einzubringen. Diese Ideen müssen dann natürlich auch ernsthaft diskutiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass weniger hierarchisch, sondern mehr ziel- und erfolgsorientiert gedacht wird. Zum Beispiel besitzt der Azubi, der heute der sogenannten Digital-Native-Generation angehört, in der Regel ein höheres IT-Verständnis als die ältere Belegschaft. Das bedeutet, er kann mit seinen Ideen durchaus den einen oder anderen Innovationsimpuls für das Unternehmen liefern.

Und wenn es um die Zusammenarbeit mit Start-ups geht?

Dr. Schröder: In dem Fall sollten die Mitarbeiter Entscheidungsspielräume übertragen bekommen, um das vereinbarte Kooperationsziel zu erreichen. Gewisse Freiheitsgrade sind hier sehr wichtig, um auch schnell Entscheidungen treffen zu können. Wie bei jeder Zusammenarbeit kommt es natürlich auch zwischen Mittelständlern und Start-ups immer wieder zu Reibungspunkten. Gerade am Anfang sollten daher alle Beteiligten erst einmal eine gemeinsame Kommunikations- und Arbeitsbasis finden, auf der sich alle auf Augenhöhe begegnen. Wichtig ist dabei, dass die involvierten Mitarbeiter aufseiten des Mittelständlers eine gewisse Offenheit und Neugierde mitbringen, sowohl neue Technologien als auch neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren.

Der Mittelstand ist bekannt für seine Innovationsstärke. Viele suchen sich auch einfach gezielt einen externen Dienstleister, um Innovationen im Betrieb umzusetzen. Ist dieser Weg nicht einfacher?

Dr. Schröder: Mittelständler sind sehr stark darin, bestehende Prozesse und Produkte zu verbessern. Und natürlich können dabei spezifische Probleme auch von externen Dienstleistern gelöst werden. Nur: Der Charme der Zusammenarbeit mit einem Start-up liegt ja vor allem darin, dass Start-ups an ein bekanntes Problem völlig anders herangehen und ganz neue Lösungen entwickeln. Und wenn das zur Folge hat, dass dadurch womöglich das Geschäftsmodell des Mittelständlers zusammenbricht, weil sich die neue Lösung als erfolgversprechender erweist, ist es doch schlauer, mit diesem Start-up zusammenzuarbeiten und zusammen etwas Neues zu entwickeln, anstatt von neuen Entwicklungen überrollt zu werden. Jeder weiß doch, dass sich das Umfeld, in dem heutzutage Unternehmen agieren, mit hoher Geschwindigkeit durch die digitalen Entwicklungen verändert. Von daher bietet die Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmern und Newcomern eine große Chance, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Natürlich bedeutet das für jeden Mittelständler, neben dem laufenden Brot-und-Butter-Geschäft zusätzliche Zeit in die Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Start-up zu investieren.

Eine Investition, die sich lohnt?

Dr. Schröder: Auf jeden Fall, denn der Charme dieser Zusammenarbeit liegt ja gerade darin, dass sehr spezifische Lösungen für das jeweilige Unternehmen und seine Kunden gefunden werden. Die lassen sich nicht einfach auf andere Unternehmen eins zu eins übertragen.

Ein Feind jeder Kooperation sind überhöhte oder falsche Erwartungen an den jeweiligen Kooperationspartner.

Dr. Schröder: Mittelständler, die wir befragt haben, erwarten, eine fertige Lösung präsentiert zu bekommen. Selbst Lösungen, die schon ziemlich nahe schienen, mussten dann doch noch mit sehr vielen Ressourcen weiterentwickelt werden, bis sie dann tatsächlich anwendungsreif waren. Auf der anderen Seite hatten die von uns interviewten Start-ups die Hoffnung, dass die Bereitschaft der Mittelständler zur Entwicklungszusammenarbeit stärker ausgeprägt ist. Hier hilft nur, gleich zu Beginn der Kooperation über die gegenseitige Erwartungshaltung zu sprechen. Überhaupt ist eine offene und transparente Kommunikation für den Erfolg einer Kooperation entscheidend.

Apropos Kommunikation: Nicht selten hakt es hier. Das sprechen Sie auch in Ihrer Studie an.

Dr. Schröder: Es ist ganz entscheidend, dass sich die jungen Unternehmer auf ihren Partner einlassen. Das heißt, technische Sachverhalte müssen für Laien verständlich kommuniziert werden. Und sie müssen sich als Problemlöser präsentieren. Das setzt voraus, dass sie sich mit der Branche und dem jeweiligen Unternehmen intensiv auseinandergesetzt haben.

Was können Hochschulen tun, um diesen Kommunikationsprozess und überhaupt die Kontaktaufnahmen zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups zu unterstützen?

Dr. Schröder: Grundsätzlich gehört es zu den Aufgaben der Hochschulen, den Wissenstransfer zu befördern. Das geschieht oftmals über innovative Ausgründungen, also durch Start-ups. Hier sollten die Transferstellen ihre Kontakte zur Wirtschaft, zu den Kammern und Verbänden nutzen, um Start-ups bei der Kooperationsanbahnung zu unterstützen. Es gibt ja bereits viele erfolgreiche Formate. Dazu gehören Netzwerkveranstaltungen, Tage der Offenen Tür oder auch Produktpräsentationen in den Räumen der Hochschulen. Gerade anschauliche Beispiele würden vielen Mittelständlern helfen, das Schlagwort der Digitalisierung in konkrete Lösungen zu überführen. Hilfreich kann auch der Aufbau einer Datenbank sein, in der Start-ups ihre Profile hinterlegen, die dann von Unternehmen anhand bestimmter Kriterien ausgewählt werden können. Alles in allem denke ich, dass es da durchaus noch viel Luft nach oben gibt.

Das Interview mit Dr. Christian Schröder ist im Januar 2019 in der Publikation „Das ist EXIST 2018“ erschienen.