Dr. Denise Schütz

Dr. Denise Schütz

© Forum Startup Chemie

Netzwerken ist das A und O für jedes Start-up. Für Ausgründungen im Chemie- und Biotech-Sektor gilt das aber ganz besonders. Genau an dieser Schwachstelle setzt das „Forum Startup Chemie“ an. Dr. Sebastian Hiessl, DECHEMA e. V. – Geschäftsstelle Forum Startup Chemie, und Dr. Denise Schütz, Verband der Chemischen Industrie e. V. – Mitglied des Koordinierungskreises des Forum Startup Chemie, stellen die Initiative vor.

Das „Forum Startup Chemie“ legt den Fokus auf Chemie und verwandte Bereiche, wie industrielle Biotechnologie, Bioökonomie und Verfahrenstechnik: Was sind die Herausforderungen gerade bei diesen Bereichen für potenzielle Gründundgswillige?
Dr. Schütz: Das „Forum Startup Chemie“ wurde im September 2018 als eine gemeinsame Initiative der drei Chemie-Organisationen DECHEMA, Gesellschaft Deutscher Chemiker und des Verbands der Chemischen Industrie sowie dem HighTech-Gründerfonds, Business Angels Netzwerk Deutschland/Rhein-Main und dem Bundesverband Deutscher Start-ups ins Leben gerufen. Kundenakquise, Produktentwicklung, Hochskalierung und das Finden von Mitgründenden aus anderen Disziplinen sind große Herausforderungen für Gründerinnen und Gründer. Dies sind auch Punkte, bei denen sich Chemie-Start-ups oft von anderen jungen Unternehmen unterscheiden. Was die Kundenakquise angeht, ist zu bedenken, dass Chemie-Start-ups oft im B2B-Geschäft tätig sind. Das setzt völlig andere Marketingansätze voraus. Außerdem gelten für Start-ups aus der Chemie komplexe Gesetze, Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen, die diese jungen Firmen beachten und umsetzen müssen.

Welche Unterschiede zu „herkömmlichen“ Start-ups gibt es noch?
Dr. Hiessl: Die Produktentwicklung, die Hochskalierung und Optimierung der Prozesse von jungen Chemieunternehmen kann leicht zehn Jahre und mehr dauern. Gleichzeitig ist dies mit einem hohen Kapitalbedarf verbunden. Das bedeutet, dass die Kapitalrentabilität anders ausfällt als etwa bei digitalen Start-ups. Neben diesen Unterschieden in den finanziellen Anforderungen unterscheiden sich Chemie-Start-ups auch in der benötigten Infrastruktur von anderen Start-ups. In der Chemie beispielsweise werden Laborflächen- und Sicherheitseinrichtungen benötigt. Außerdem muss das Abfallmanagement organisiert werden. Die ursprüngliche Idee für die Gründung eines Unternehmens stammt üblicherweise aus dem Forschungslabor und basiert auf wissenschaftlichen Entwicklungen. Gründende, die aus dem Labor herausgründen, sind Expertinnen und Experten auf ihrem Wissenschaftsgebiet. Fähigkeiten, die zum Beispiel mit der Entwicklung eines Geschäftsplans, oder rechtlichen Aspekten zusammenhängen, müssen sie sich meist noch erarbeiten. Zudem müssen sie oft weitere Team-Mitglieder mit ergänzendem Know-how finden.

Wie greifen Sie Gründenden konkret unter die Arme?
Dr. Schütz: Vier konkrete Unterstützungsangebote würden wir gerne hervorheben: Auf unserer Webseite können sich Start-ups in der Start-up-Datenbank registrieren. Damit erhöhen sie ihre Sichtbarkeit bei potenziellen Kunden, Kooperationspartnern und Investoren. Die Datenbank umfasst derzeit rund 350 junge Unternehmen aus den unterschiedlichen Bereichen der Chemie: Materialentwicklung, Nanotechnologie, Katalyse, industrielle Biotechnologie, Verfahrenstechnik. Darüber hinaus stellt das Forum Informationen zu Investoren, Förderprogrammen, Infrastrukturen wie Hochschulen, Chemie- und Technologieparks, Inkubatoren und Akzeleratoren, regionalen Netzwerken und Clustern, die für Gründende aus diesen Bereichen geeignet sind, zur Verfügung. Auch bieten wir den Start-ups die Möglichkeit, sich und ihre Produkte oder Dienstleistungen im Rahmen von Webinaren, Pitches oder ähnlichen Formaten potenziellen Investoren oder Kunden zu präsentieren.

Was ist in Ihren Augen einer der Punkte, den Gründerinnen und Gründer nicht außer Acht lassen sollten?
Dr. Hiessl: Ein wichtiger Aspekt ist außerdem die Vernetzung. Über die Geschäftsstelle des Forums und über verschiedene Dialog-Veranstaltungen vernetzen wir Gründungswillige mit geeigneten Stakeholdern. Hierzu zählen etablierte Unternehmen, Investoren oder auch Ansprechpartner anderer Institutionen wie dem EXIST-Programm oder der Förderberatung des Bundes. Über seine Arbeitskreise bietet das Forum zudem die Möglichkeit zur aktiven Mitarbeit beziehungsweise Mitgestaltung des Ökosystems. Derzeit beschäftigen sich zwei Arbeitskreise mit den Themen „Gründung“ und „Wachstum“ und den damit verbundenen Unterthemen. Außerdem können sich Start-ups jederzeit mit ihren individuellen Fragen direkt an die Geschäftsstelle des Forums wenden. Dort kann ihnen entweder direkt oder über die Experten-Runde aus dem Netzwerk geholfen werden.

Warum ist Netzwerken gerade im Chemiesektor für Gründungswillige so wichtig?
Dr. Schütz: Netzwerken ist für Gründende generell wichtig, das gilt natürlich nicht nur für die Chemie. Betrachtet man jedoch die Herausforderungen, vor denen speziell die Gründerinnen und Gründer aus der Chemie stehen, kann das Netzwerk gar nicht groß genug sein. Start-ups im Chemiebereich haben oft das Problem langwieriger Entwicklungen, die sehr kostenintensiv sind.

Was raten Sie dazu speziell Gründenden?
Dr. Hiessl: Die Fragestellungen, die seitens der Gründenden bestehen, sind vielfältig und sehr individuell – insbesondere auch, was mögliche Finanzierungskonzepte angeht. Eine Rolle spielen hier zum Beispiel die Ziele, die die Gründungswillige haben, der jeweilige Entwicklungszustand des Start-ups, eventuell schon bestehender Zugang zu Infrastrukturen oder bereits bestehende IP-Rechte. Bei solchen Fragen unterstützt das Forum gerne über die Geschäftsstelle oder vermittelt über seine bestehenden Netzwerke an entsprechende Experten. Daher der Tipp: Hörer in die Hand und anrufen oder eine E-Mail an: info@forum-startup-chemie.de.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft an Verbesserungen im Chemiesektor für Start-ups?
Dr. Schütz: Betrachtet man den deutschen Risikokapitalmarkt, so spielen Investitionen in junge Chemieunternehmen leider nur eine geringe Rolle. Laut einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, flossen zwischen 2015 und 2018 nur 0,3 Prozent der gesamten Venture-Capital-Investitionen in Deutschland in Chemie-Start-ups. Ähnliches lässt sich für Europa insgesamt beobachten. Daher sollten Fonds und Förderprogramme „geduldiges Geld“ bereitstellen, um den Bedarf junger innovativer Unternehmen zu decken, die Materialien und Wirkstoffe entwickeln und einen hohen Kapitalbedarf mit langen Entwicklungszeiten haben. Notwendig ist auch ein spürbarer Abbau von Bürokratie und eine Vereinfachung der Förderprogramme, unter anderem durch eine beschleunigte Antragstellung und eine auf Start-ups zugeschnittene Bonitätsprüfung. Hierzu hat das Forum ein Papier mit Vorschlägen erarbeitet.

Stand: Oktober 2021