Dr. Jörg Goschin

Dr. Jörg Goschin

© KfW Capital/F. Hensel

Start-ups, die aufgrund der Corona-Krise einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf haben, steht seit Mai 2020 ein zwei Milliarden Euro Maßnahmenpaket zur Verfügung. Dr. Jörg Goschin, Geschäftsführer von KfW Capital, der Beteiligungstochter der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), erklärt, wie die Finanzhilfen funktionieren.

Herr Dr. Goschin, das zwei Milliarden Euro Maßnahmenpaket ist auf den Bedarf von Start-ups und Wachstumsunternehmen ausgerichtet. Wie sieht diese Förderung aus?

Dr. Goschin: Das Maßnahmenpaket, das das BMWK und das BMF gemeinsam mit der KfW und KfW Capital sowie dem Europäischen Investitionsfonds, EIF, und den Landesförderinstituten ausgearbeitet haben, steht auf zwei Säulen: Säule 1 ist die Corona Matching Fazilität, die seit 14. Mai 2020 über KfW Capital und seit 18. Mai 2020 über den EIF gestartet ist. Sie unterstützt Start-ups und junge Wachstumsunternehmen in Deutschland, die durch die Corona-Krise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind und VC-Fonds im Gesellschafterkreis haben. Beantragt werden können die Mittel von privaten europäischen Venture-Capital-Gesellschaften mit Deutschlandfokus.

Die zweite Säule steht seit 8. Juni 2020 zur Verfügung und richtet sich an Start-ups und kleine Mittelständler, die keinen Zugang zur Corona Matching Fazilität haben. Für sie werden über eine enge Zusammenarbeit der KfW mit den Landesförderinstituten vor Ort in den Bundesländern passgenaue Finanzierungsinstrumente, wie zum Beispiel Beteiligungen oder Mezzanindarlehen, bereitgestellt.

Bleiben wir bei der ersten Säule. An welche Start-ups richtet sich die Corona Matching Fazilität?

Dr. Goschin: Allen Start-ups ist ja gemein, dass sie mit viel Engagement und Enthusiasmus daran arbeiten, aus ihren innovativen Ideen funktionierende Geschäftsmodelle aufzubauen. Dabei erzielen sie aber naturgemäß zunächst noch keine Gewinne und ihre Unternehmenshistorie ist noch nicht aussagekräftig. Klassische Kreditfinanzierung über Banken kommt daher für sie nicht in Frage. Zur Finanzierung nutzen innovative Start-ups daher häufig Kapitalbeteiligungen von VC-Fonds, um die Entwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen schnell voranzubringen und die erforderlichen Kosten, zum Beispiel für Personal, Marketing und Vertrieb zu finanzieren. Durch die massiven Einschränkungen durch den Lock-down zur Eindämmung der Corona-Pandemie gibt es nun Start-ups, die einen zusätzlichen Liquiditätsbedarf haben, da sich dadurch die Entwicklung Ihrer Produkte und Dienstleistungen verzögert und auch wichtige Umsatz- und Ertragsquellen weggebrochen sind.

Um sicherzustellen, dass diese jungen innovativen und zukunftsträchtigen Unternehmen nicht aufgrund der Corona-Pandemie unverschuldet scheitern, stellen wir und der EIF den VC-Fonds nun zusätzliche öffentliche Mittel über die Corona Matching Fazilität zur  Verfügung, die diese dann an die Start-ups weiterreichen.

Sind denn VC-Fonds derzeit aufgrund von Corona eher zurückhaltend?

Dr. Goschin: Die bislang noch ungewissen Auswirkungen der Corona-Pandemie haben den deutschen VC-Markt zweifellos verunsichert. Das Geschäftsklima ist laut des German Venture Capital Barometers von BVK und KfW im 1. Quartal auf ein Allzeittief abgestürzt. Die Corona-Krise hat der sehr guten Stimmung auf dem VC-Markt ein jähes Ende bereitet. Wie sehr sich dieser Schock manifestiert oder ob die Lockerungen dazu beitragen, dass sich die Stimmung schnell bessert, wird sich zeigen. Damit die Blüten aber zwischenzeitlich nicht verdorren, ist es meines Erachtens ein richtiger und wichtiger Schritt der Bundesregierung, die innovativen Wachstumsunternehmen nun besonders zu unterstützen. Wir freuen uns daher, dass das Interesse an der Corona Matching Fazilität sehr groß ist.

Die Mittel aus der Corona Matching Fazilität werden von VC-Gesellschaften beantragt und nicht direkt von Start-ups.

Dr. Goschin: Richtig, damit setzen wir auf unserem bewährten Weg der Fondsfinanzierung auf und nutzen das große Know-how der privaten VC-Fonds, die sich pari passu an den Finanzierungsrunden bei den einzelnen Start-ups beteiligen Das heißt, die einzelnen VC-Fonds können pro Finanzierungsrunde ihre Mittel um 50 Prozent an öffentlichen Mitteln entweder über KfW Capital oder den EIF ergänzen. Die Corona Matching Fazilität kann bis zum 31. Dezember 2020 beantragt werden. Die VC-Fonds werden vor Bewilligung durch KfW Capital oder den EIF sorgfältig geprüft, denn sie verwalten das Kapital treuhänderisch.

Müssen die Start-ups auch bestimmte Voraussetzungen erfüllen?

Dr. Goschin: Sie müssen einen starken Deutschlandbezug haben, das heißt, entweder eine Betriebsstätte, ihre Hauptverwaltung, den Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit oder mindestens 50 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland haben und dürfen bis zum 31. Dezember 2019 keine finanziellen Schwierigkeiten gehabt haben.

Und wenn es sich um ein Start-up handelt, das bisher noch keinen VC-Gesellschafter an Bord hat?

Dr. Goschin: Dann können sich die Gründerinnen und Gründer an einen akkreditierten VC-Fonds wenden und anfragen, ob dieser bei ihnen neu einsteigen will. Dieses Neuinvestment könnte durch die Corona Matching Fazilität ergänzt werden. Für Start-ups und kleine Mittelständler mit einem maximalen Jahresumsatz von 75 Mio. Euro, die keinen Zugang zur Corona Matching Fazilität haben, steht zudem die zweite Säule der Corona-Hilfen zur Verfügung, die über die Landesförderbanken und ihre Intermediäre, wie zum Beispiel die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften ausgereicht werden. Eine entsprechende Liste der Ansprechpartner finden Interessierte auf der Webseite der KfW.

Die zweite Säule des Maßnahmenpakets ist erst seit kurzem in Kraft.

Dr. Goschin: Ja, Ziel dieser zweiten Säule ist es, auch Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen, die keinen Zugriff auf die Säule 1 haben, mit Mezzanine- oder Beteiligungsfinanzierungen zu unterstützen. Dazu stellt die KfW den Landesförderinstituten der Bundesländer Globaldarlehen mit einer vom Bund rückgarantierten Haftungsfreistellung zur Verfügung, mit deren Hilfe sie passgenaue Finanzierungsinstrumente für die genannte Zielgruppe refinanzieren können. Die Unternehmen können sich direkt an das Landesförderinstitut oder von diesen eingebundene Intermediäre wenden.

Um bereits bestehende Strukturen der Partner in den Bundesländern zu nutzen und den Start-ups möglichst maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten, variieren die Förderangebote von Bundesland zu Bundesland. Pro Unternehmen werden dabei von KfW und Land maximal 800 000 zur Verfügung gestellt. Höhere Finanzierungsbedarfe können durch die Einbindung privater Investoren, wie beispielsweise Business Angels dargestellt werden. Voraussetzung ist auch in der zweiten Säule, dass die Unternehmen bis zum 31. Dezember 2019 noch nicht in finanziellen Schwierigkeiten waren und nachweislich einen Finanzierungsbedarf haben. Der bereits für Säule 1 dargestellte Deutschlandbezug gilt in Säule 2 ebenso.