Energy Robotics

© Energy Robotics GmbH

Kurzinfo:

Energy Robotics GmbH
Gründungsteam: Dr. Dorian Scholz, Dr. Stefan Kohlbrecher, Dr. Alberto Romay, Marc Dassler
Gründungsjahr: 2019
Hochschule: Technische Universität Darmstadt
Gründungsnetzwerk: HIGHEST – Innovations- & Gründungszentrum Technische Universität Darmstadt
EXIST-Forschungstransfer 2018 bis 2020
www.energy-robotics.com

Interview mit Dr. Stefan Kohlbrecher, Co-Gründer und Chief Technology Officer

In industriellen Umgebungen gibt es eine wachsende Nachfrage an autonomen Robotern für die Überwachung von Anlagen. Der EXIST-Forschungstransfer ermöglichte es dem KI- und Robotik-Unternehmen Energy Robotics GmbH von der Technischen Universität Darmstadt, für autonome Roboter eine Steuerungs-Plattform zu entwickeln. Damit haben die Gründer nicht nur Erfolg auf dem Öl- und Gassektor, auch in der chemischen Industrie steigt die Nachfrage nach autonom durchgeführten Inspektionen. Der nächste Schritt für Energy Robotics: ein Abo-Modell sowie eine innovative Bedienoberfläche für verschiedenartige rollende, vierbeinige Bodenroboter und auch Drohnen.

Herr Dr. Kohlbrecher, wie kamen Sie zu dem Arbeitsfeld Robotik in Industrieanlagen?

Dr. Kohlbrecher: Ursprünglich haben wir an der TU Darmstadt eine Software für autonome Roboter entwickelt. Ein Thema dabei war der Bereich Such- und Rettungsrobotik und wie Roboter unbekannte Umgebun-gen erforschen können. Das kann zum Beispiel ein Erdbeben sein, nach dem ein Roboter ein ein-gestürztes Gebäude durchfährt und dann mit einer Karte zurückkehrt, auf der potenzielle Opfer eingezeichnet sind. Diese Technologien eines Rettungs-Roboters, wie seine Navigationsfähigkeiten, lassen sich aber auch sehr gut in einem industriellen Umfeld einsetzen und sind für Öl- und Gasanlagen prädestiniert.

Was ist der Vorteil von autonomen Robotern in einem industriellen Umfeld?

Dr. Kohlbrecher: In einer industriellen Anlage werden ein- bis dreimal am Tag Inspektions-Rundgänge gemacht, so genannte Operator Rounds. Genau das können wir mit Robotern automatisieren. Der Vorteil dabei ist, Roboter sind besser bei repetitiven Aufgaben als Menschen. Deutlich wird das am Beispiel der Erstellung regelmäßiger Bilder, die durch den Roboter standardisiert und automatisiert erfolgen kann. Der daraus gewonnene Datensatz lässt sich dann mit aktuellen KI-Methoden auswerten, um Messstände abzulesen und Veränderungen zu entdecken.

Wer sind Ihre potenziellen Kunden?

Dr. Kohlbrecher: Unsere Kunden sind vor allem große Firmen, die kapitalintensive Anlagen betreiben, wie Chemie-, Energie- sowie Öl und Gas Unternehmen. Wir ermöglichen diesen mit mobiler Inspektionsrobotik eine schnelle und effektive Digitalisierung bestehender Anlagen.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Ausgründung?

Dr. Kohlbrecher: Mit unserem starken Hintergrund und Expertise aus der Forschung waren für uns die Businessplanung mit Strategie, Partnern, Marketing, Vertrieb etc. letztlich größere Herausforderungen als technologische Fragen. Mit den wirtschaftlichen Aspekten und Marketing hatten wir uns vorher nicht primär beschäftigt.

Wie wichtig war für Sie EXIST-Forschungstransfer für die Ausgründung?

Dr. Kohlbrecher: Die Förderung war extrem hilfreich, um unsere Forschungsergebnisse zu einem marktfähigen Produkt weiter zu entwickeln. Diese Phase des Transfers ist ansonsten kaum sinnvoll finanzierbar. Grund hierfür ist, dass mobile Robotik mit KI-basierten Fähigkeiten einen sehr hohen Entwicklungsaufwand erfordert, der über unversitäre Grundlagenforschung deutlich hinausgeht. Außerdem haben wir sehr von den umfangreichen Beratungs- und Coaching-Angeboten profitiert, die integraler Bestandteil der EXIST-Förderung sind.

In welchen Entwicklungsphasen hat Ihnen EXIST-Forschungstransfer geholfen?

Dr. Kohlbrecher: An der Technischen Universität Darmstadt haben wir zunächst geforscht und entwickelten eine Autonomie-Software. Uns fehlte aber eine Integration in eine Anwendung für Industriekunden. In Phase 1 der EXIST-Forschungstransfer Förderung konnten wir uns aus der TU Darmstadt 2018 ausgründen und 2019 eine GmbH gründen. Mit Hilfe der zweiten Phase der EXIST-Forschungstransfer Förderung bis August 2021 konnten wir unsere Autonomie-Software vorantreiben und vor allem die Cloud-Anbindung realisieren. Die Cloud-Plattform ermöglicht das Management der Roboter und ihre Steuerung über ein webbasiertes User-Interface. Die Roboter sind an sich über eine verschlüsselte VPN-Verbindung mit dem Internet verbunden.

Inwieweit hat Ihre Hochschule Sie bei der Ausgründung unterstützt?

Dr. Kohlbrecher: HIGHEST, das Innovations- und Gründerzentrum unserer Universität, hat uns sehr bei der Ausgründung unterstützt. Das Gründernetzwerk hat u. a. mit uns den Förderantrag für die EXIST-Forschungstransfer Förderung ausgefüllt. Das Gründernetzwerk der TU Darmstadt hat uns durch die gesamte EXIST Phase 1 begleitet. Außerdem bot es uns viele Möglichkeiten wie etwa einen Gründerstammtisch und Vortragsreihen.

Aktuell arbeiten Sie an Ihrem neuen „Skill-Store“. Was können wir uns darunter vorstellen?

Dr. Kohlbrecher: Unsere Kunden interessieren sich vor allem für Roboter-Fähigkeiten wie die Manometer-Detektion, das automatische Auslesen von analogen Anzeigen, die Personen-Erkennung und die Vibrations-Messung Diese Fähigkeiten wollen wir über eine Bedienoberfläche bündeln und erweitern, um auch Fähigkeiten von Dritten integrieren zu können – wie bei einem App-Store. Denn es gibt eine Vielzahl von Start-ups und Unternehmen, die relativ spezielle KI-Methoden für verschiedene Analysen machen. Diesen Start-ups wollen wir den Zugang auf die von uns erfassten Daten ermöglichen. Unsere Kunden haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse und wollen natürlich nicht, dass ihre Daten für ihre speziellen Anwendungen noch an andere Cloud-Provider weitergesendet werden müssen.

Was für Vorteile bietet der Skill-Store den Nutzerinnen und Nutzern?

Dr. Kohlbrecher: Unser Store schafft Synergien. Warum sollten wir langwierig Methoden entwickeln, wenn es bereits eine Lösung gibt? Wir schaffen eine eigene Infrastruktur genau zur richtigen Zeit. Das Interesse an autonom durchgeführten Inspektionen ist explodiert. Derzeit arbeiten wir mit allen großen deutschen Unternehmen aus der Chemie-Industrie an Pilotprojekten. Gleichzeitig expandieren wir in den Energie-Sektor und haben derzeit einen Roboter in einem Umspannwerk eines großen deutschen Energielieferanten. Auch für die Bauindustrie könnten unsere Roboter interessant werden, etwa zur Überwachung von baulichen Fortschritten per Laser-Scan.

Sie haben Ihr Businessmodell weitergedacht und wollen Robots-as-a-Service anbieten. Bitte erklären Sie das Konzept dahinter.

Dr. Kohlbrecher: Die Idee ist, dass Unternehmen die Roboter nicht mehr kaufen müssen, sondern diese als Dienstleistung für einen bestimmten Zeitraum mieten. Diese Art von Abo-Modell wird die Eintrittsbarriere für Firmen verringern, schließlich ist ein Roboterkauf mit erheblichen Kosten verbunden. Das macht es natürlich auch zu einer Herausforderung für uns, da wir die Roboter vorfinanzieren müssen. Ein Roboter mit einer integrierten Vollsensor-Ausstattung kostet mehr als 100.000 Euro.

Wie steht es um das Thema Internationalisierung?

Dr. Kohlbrecher: Mehrere Dutzend Roboter mit unserer Software werden bereits auf vier Kontinenten im täglichen Betrieb eingesetzt und bedienen Kunden in Europa (Österreich, Deutschland, Niederlande, Norwegen), Australien, Asien (Japan, Singapur, Thailand), dem Nahen Osten (Oman, Saudi-Arabien, VAE) und Amerika (Canada, USA). Das internationale Geschäft ist damit bereits fester Bestandteil unseres Portfolios.

Gibt es etwas, das Sie heute anders machen würden?

Dr. Kohlbrecher: Bislang konnten wir glücklicherweise große Fehler und Fehlschläge vermeiden. Selbstverständlich lief nicht alles reibungslos. Es gab auch Rückschläge oder Fälle, bei denen wir in Ideen oder Projekte investiert haben, die in keinen nachhaltigen Erfolgen resultierten. Allerdings muss man natürlich auch solche kalkulierten Risiken eingehen, um Chance nutzen zu können. Die erfolgreiche Bewerbung auf EXIST-Forschungstransfer war eine sehr gute Entscheidung. Sie gab uns die Freiheiten, unser Geschäft aufzubauen, ohne Fremdkapital aufnehmen zu müssen.

Was würden Sie mit Ihrer Erfahrung Gründenden heute raten?

Dr. Kohlbrecher: Bei der technologischen Entwicklung muss der Product-Market-Fit genau ermittelt werden und im Vordergrund stehen. Dabei muss eine gute Balance zwischen Nutzen für den Kunden und Perfektionsgrad gefunden werden. Auch der Aufbau strategischer Partnerschaften, in unserem Fall mit Herstellern mobiler Roboter, ist wichtig.

Wie geht es weiter für Energy Robotics in 2022 und wo sehen Sie ihr Unternehmen in fünf Jahren?

Dr. Kohlbrecher: Wir arbeiten derzeit an einer Plattform, mit der sich eine heterogene Roboter-Flotte steuern lässt. Das bedeutet eine Plattform, mit der über ein User-Interface und eine Schnittstelle nicht nur ein, sondern verschiedenartige Roboter angebunden werden. Deswegen streben wir eine massive Aufstockung mit einer Series-A-Förderung an. Heute haben wir zwanzig Mitarbeitende und wollen uns bis nächstes Jahr verdreifachen. Der Zeitpunkt ist genau richtig, denn im Moment können wir uns vor Anfragen kaum retten. Perspektivisch steht die weltweite Erschließung der Märkte für Inspektionsrobotik und diese ermöglichende Software immer noch am Anfang. Unser Ziel ist die Marktführerschaft mit einem „Betriebssystem“ für Inspektionsrobotik, das offen ist für unterschiedliche Anbieter mobiler Roboter und datenanalysierender Algorithmen. Das bietet den Betreibern kapitalintensiver Industrieanlage einheitliche Bedien- und Datenschnittstellen für unterschiedliche Typen von Robotern und KI-Verfahren, die für den Bedarf des Kunden modular und passgenau konfiguriert werden können.

Stand: Januar 2022