Gründer scireum GmbH

Michael und Andreas Haufler

© scireum GmbH

Kurzinfo:

Gründer: Andreas und Michael Haufler
Gründung: 2009
Hochschule: Universität Stuttgart
Gründungsnetzwerk: TTI - Technologie-Transfer-Initiative GmbH
EXIST-Gründungsstipendium: 2008 - 2009
www.scireum.de

Interview mit Michael Haufler

Innerhalb von knapp zehn Jahren haben es Andreas und Michael Haufler geschafft, sich mit ihrem Start-up scireum bundesweit als Marktführer in ihrer Branche zu etablieren. Die Ausgründung der Universität Stuttgart entwickelt Software für den technischen Großhandel und zuliefernde Herstellerunternehmen und ist weiter auf Wachstumskurs.

Herr Haufler, auf Ihrer Onlineplattform treffen sich Industrie, Handwerk und Großhändler. Zu welchem Zweck?

Haufler: Einfach gesagt, um Produktdaten hochzuladen und abzurufen. Das Ganze passiert über unsere Software-as-a-Service-Plattform OXOMI. Zum einen können dort Hersteller ihre Produktdaten hochladen, so dass ausgewählte Großhändler darauf zugreifen können. Zum anderen – und das ist das Besondere an unserer Plattform – bieten wir einen Softwareservice an, der es Großhändlern ermöglicht, die Produktdaten direkt - on demand - in ihre Online-Shops, ERP- und Intranet-Systeme zu integrieren.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Haufler: Nehmen wir einen großen Hersteller von Elektrokomponenten. In der Vergangenheit war es so, dass dessen Vertriebler mit dem Katalog unter dem Arm persönlich alle relevanten Großhändler besucht haben. Oder der Katalog wurde als PDF per E-Mail versandt. Nutzt der Hersteller unsere Plattform, sieht das Verfahren dagegen folgendermaßen aus: Das PDF des Katalogs wird auf unsere Plattform hochgeladen. Damit wird der Katalog praktisch zeitgleich auch auf der Webseite der Großhändler veröffentlicht. Darüber hinaus stehen auch Produktabbildungen, Videos, Pflegeanleitungen, technische Zeichnungen oder CAD-Daten der Hersteller zur Verfügung. All diese Daten können von den Großhändlern on Demand genutzt werden. Sie brauchen nur über unsere Plattform anzufragen, ob es zu einem bestimmten Artikel des Herstellers xyz zum Beispiel ein Bild oder Video gibt. Dann wird zunächst geprüft, ob die Erlaubnis des Herstellers vorliegt, dem Großhändler die Daten zur Verfügung zu stellen. Wenn ja, recherchiert unsere Software, ob es zu diesem Artikel zum Beispiel ein Bild gibt. Ist dies der Fall, wird es praktisch in Nullkommanichts im Onlineshop des Großhändlers ausgespielt. Die Daten müssen also nicht erst heruntergeladen werden. Der ganze Vorgang passiert in 30 Millisekunden, obwohl - und das muss man sich vor Augen halten - es hier insgesamt um Datenvolumina von mehreren Terrabytes geht.

In welchen Branchen sind sie aktiv?

Haufler: Vorrangig in der Elektrobranche. Sicherungen, Lampen Waschmaschinen - es geht um alle Produkte, die mit Strom betrieben wird. Die SHK-Branche, also Sanitär, Heizung, Klima, ist mit ihren Produkten ebenfalls stark vertreten. Und nicht zuletzt der Produktionsverbindungshandel, kurz PVH. Dazu gehören Regale, Werkzeuge, Schraubstöcke, Bürostühle, also  alles, was man für die Einrichtung von Betrieben, Werkstätten usw. benötigt.

Kommen wir zum Geschäftsmodell. Wie erzielen Sie Ihren Umsatz?

Haufler: Bei uns bezahlen sowohl die Hersteller als auch die Großhändler eine monatliche Gebühr. Es handelt sich um eine Art Abonnement, dessen Preis sich nach dem jeweiligen Leistungspaket richtet. Das heißt, es kommt darauf an, wie viele Daten, wie viele Onlineanwendungen und so weiter der Kunde nutzen möchte.

Sie sind seit 2009 am Markt. Wie hat sich scireum bisher entwickelt?

Haufler: Gut! Wir haben ein tolles Team und sind insgesamt 24 Leute. Wir sind europaweit tätig, mit Schwerpunkt in Deutschland und Österreich. Darüber haben wir auch Kunden in der Schweiz, in den Niederlanden und Polen. Im Jahr 2017 wurden wir das zweite Jahr in Folge mit dem Technology Fast 50 Award von Deloitte ausgezeichnet. Damit gehören wir zu den 50 am schnellsten wachsenden Technologieunternehmen in Deutschland. Wenn man dazu noch weiß, dass wir bislang ausschließlich organisch gewachsen sind und uns unabhängig von externen Investoren entwickeln konnten, können wir mit unserer Geschäftsentwicklung sehr zufrieden sein.

Der Weg zum Erfolg kann ganz schön holperig sein. Mussten Sie auch die eine oder andere Hürde nehmen?

Haufler: Ja, natürlich. Das klingt immer so einfach, von wegen „wir haben gegründet und dann ging es nur noch aufwärts“. So war es nicht. Gerade wenn man einen Plattformansatz verfolgt, ist der Anfang immer ziemlich schwierig. Bei unseren ersten Gesprächen mit Herstellern hieß es zum Beispiel: „Das ist eine super Idee. Jetzt bringen Sie mal 50 Händler, die da mitmachen, dann sind wir dabei.“ Wenn wir daraufhin mit Großhändlern gesprochen haben, lautete die Antwort: „Bringen Sie mal 50 Hersteller, dann machen wir mit.“ Also das klassische Henne-Ei-Problem. Das war für uns am Anfang wirklich eine große Herausforderung. Was uns dabei sehr geholfen hat, war die Zusammenarbeit mit Partnern. Also Shop-System-Hersteller oder ERP-Herstellern, die unsere Lösung in ihr System integrieren konnten und damit einen schönen Use Case für ihre Kunden hatten. ERP-Hersteller können heute mit Standardfunktionen wie Aufträgen, Retouren usw. kaum noch Kunden begeistern, da dies von allen beherrscht wird. Aber über das Internet die Katalogdaten on Demand direkt über Schnittstellen integriert im ERP anzubieten, das war neu. Wir haben dann für eine ganze Reihe von Partnern Lösungen entwickelt. Darüber hinaus hatten wir natürlich auch viel Glück, dass uns die Partner als erfahrene Branchenkenner unter ihre Fittiche genommen haben, nach der Devise: „Guck mal die Jungs, die haben eine super Idee, denen helfen wir jetzt.“ Wir wurden zum Beispiel zu Kundenveranstaltungen eingeladen und durften dort unsere Plattform vorstellen. Danach hatten wir auf einmal 50 Kundenkontakte. Das war natürlich toll.

Der Kontakt zu Branchenverbänden, Einkaufsverbänden und Verbundgruppen von Herstellern hat natürlich auch eine wichtige Rolle gespielt. Die hat das Thema Produktdatenmanagement damals ganz schön umgetrieben. Und wir hatten die passende Lösung. Also haben wir gesagt: „Wenn jetzt genug Händler und Hersteller mitmachen, wäre das doch perfekt. Und Ihr als Schnittstelle könntet das in der Branche einführen und wärt damit der innovative Treiber dieser Lösung.“ Und so kam die ganze Sache ins Rollen.

Das heißt, Sie mussten schon viel Überzeugungsarbeit leisten und Klinken putzen?

Haufler: Ja, auf jeden Fall. Aber es hat sich gelohnt. Wir profitieren heute noch von den vielen guten Kontakten. Man darf natürlich nicht den Fehler machen und auf potenzielle Partner zu gehen in dem Glauben, dass der jetzt alles Mögliche für mich tun kann. Das ist der falsche Ansatz. An erster Stelle steht die Frage: Was kann ich für den Partner tun. Wie kann ich ihm helfen? Wie kann ich sein Problem lösen?

Wir haben damals wirklich viel gegeben. Aber es hat sich bisher fast immer ausgezahlt. Sei es, dass wir unsere Plattform auf Veranstaltungen vorstellen durften oder bei Einkaufsverbänden an den Gesellschafterversammlungen teilnehmen durften, was für externe Dienstleister die absolute Ausnahme ist. Da stand ich dann zum Beispiel vor 100 Geschäftsführern und haben denen eine halbe Stunde lang etwas über unsere Plattform erzählen. Das war natürlich eine riesige Chance für uns.

Können Sie sagen, wie lange es gedauert hat, bis Ihr Unternehmen an Fahrt gewonnen hat?

Haufler: Die ersten drei Jahre waren verdammt anstrengend. Der eigentliche Durchbruch kam dann, als wir den Marktführer im deutschen SHK-Großhandel als Kunden gewonnen hatten. Das hat für einen richtigen Schub gesorgt, weil es für die Hersteller das klare Signal war, dass sich aus dem kleinen Studenten-Start-up ein seriöses, ernst zu nehmendes Unternehmen entwickelt hatte.

Was würden Sie anderen Gründern sagen, worauf es noch ankommt?

Haufler: Es gibt drei ganz wichtige Themen: Personal, Personal und Personal. Da haben wir extrem viel gelernt. Mittlerweile würde ich sagen, dass das ganze Personalthema 30 bis 50 Prozent der Aufgaben eines erfolgreichen Unternehmers ausmacht. Dabei sind die ersten drei Mitarbeiter, die man einstellt, entscheidend für das Wohl und Wehe des Unternehmens. Wenn ich da Fehler mache, kann mich das das ganze Unternehmen kosten.

Bei dem herrschenden Fachkräftemangel ist es aber gar nicht so einfach, geeignete Leute zu finden. Wie gehen Sie da vor?

Haufler: Da gibt es kein Patentrezept. Es ist auch nicht einfach. Wichtig ist, dass man ein umfassendes Personal-Marketing aufbaut. Wir haben zum Beispiel enge Kontakte zu Netzwerken und Hochschulen hier in der Stuttgarter Region. Darüber kommen dann zum Beispiel Werkstudenten zu uns. Und wer bei uns als Werkstudent gearbeitet hat, weiß, was er hier hat. Dazu gehören zum Beispiel eine attraktive Unternehmenskultur und gut ausgestattete Arbeitsplätze. Außerdem bieten wir mittlerweile eine betriebliche Altersvorsorge auf dem Niveau von Daimler an. Wir haben eine betriebliche Krankenversicherung. Wir machen regelmäßig Team-Events und gehen zum Beispiel zusammen Bowlen, Essen oder fahren übers Wochenende weg.

Anfangs hatten wir die Unternehmens- bzw. Teamkultur gar nicht so sehr auf dem Schirm, weil wir dachten, dass sei selbstverständlich. Aber nachdem wir Mitarbeiter eingestellt hatten, die zwar fachlich kompetent waren, aber überhaupt nicht ins Team passten, haben wir gemerkt, dass ein gut funktionierendes Team ein hohes Gut ist, das man schützen muss. Wenn Sie jemanden einstellen, der nicht ins Team passt, kann der Ihnen alles kaputt machen. Deswegen gibt es bei uns mittlerweile auch Probetage, die überwiegend dazu dienen, dass das Team den potenziellen Bewerber kennenlernt. Und wenn es dann heißt, „ist ja schön, dass der fachlich was kann, aber ‚die Chemie‘ stimmt überhaupt nicht“, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der den Job nicht bekommt.

Das heißt, Sie sieben bei Ihren Bewerbern kräftig durch. Wie gehen Sie vor?

Haufler: Wer sich bei uns bewirbt, bekommt erst einmal einen vor uns entwickelten Test per E-Mail zugeschickt. Bei den Fachfragen fallen schon mal – gerade im Entwicklungsbereich – 70 Prozent durch. Wer den Test besteht, wird zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, das wiederum mit einem Test beginnt. Darin stellen wir auch Fragen zur Allgemeinbildung, um einen ersten Eindruck zu gewinnen, wofür sich der Bewerber über seine fachlichen Kompetenzen hinaus interessiert. Dann findet das eigentliche Bewerbungsgespräch statt. Verläuft es positiv, wird der Bewerber zu einem Probetag eingeladen. Alles in allem ist das für alle Beteiligten eine große Herausforderung und alles andere als einfach. Deswegen investieren wir da auch viel Zeit.

Wie sehen Ihre nächsten unternehmerischen Schritte aus? Welche Ziele verfolgen Sie?

Haufler: Wir wollen weiterhin profitabel wachsen. Zur Zeit beschäftigen wir uns mit der Skalierung von Vertriebs- und Supportprozesse, um noch schneller zu werden. Außerdem wollen wir unsere Aktivitäten auf dem europäischen Markt ausbauen. Perspektivisch wären sicher auch die USA und Asien für uns interessant.

Stand: Februar 2018