Wingcopter GmbH

© Wingcopter GmbH

Kurzinfo:

Wingcopter GmbH
Gründungsteam: Tom Plümmer (CEO), Jonathan Hesselbarth (CTO), Ansgar Kadura (CSO)
Gründungsjahr: 2017
Hochschule: TU Darmstadt, Hochschule Darmstadt
Gründungsnetzwerk: Gründungszentrum HIGHEST, TU Darmstadt
EXIST-Gründungsstipendium: Mai 2017 bis April 2018

www.wingcopter.com

Interview mit Tom Plümmer, Co-Founder und CEO von Wingcopter

Zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung. Gleichzeitig haben Unternehmen und Organisationen oft Schwierigkeiten, dringend benötigte Hilfsgüter an ihren Bestimmungsort zu transportieren, da die Infrastruktur fehlt und das Gelände schwierig ist, was zu längeren Lieferzeiten und höheren Kosten führt. Für dieses Problem haben Tom Plümmer, Jonathan Hesselbarth und Ansgar Kadura eine Lösung gesucht und gefunden und 2017 das Unternehmen Wingcopter GmbH gegründet. Ihre Lieferdrohnen sollen helfen, die Zeit für den Zugang zu oft lebenswichtigen Gütern zu verkürzen, von Tagen auf Stunden, oft sogar auf Minuten. Ihr Luftfahrtunternehmen ist sowohl Produzent luftfahrttauglicher Drohnentechnologie als auch Dienstleister für eine breite Palette von Drohneneinsätzen. Wir haben mit dem CEO Tom Plümmer über die Herausforderungen und die großen Chancen für Wingcopter gesprochen.

Herr Plümmer, Sie entwickeln und vertreiben mit Ihrem Unternehmen Wingcopter Lieferdrohnen, mit denen Sie Produkte schnell auch in entlegene Gegenden liefern können. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Tom Plümmer: Während eines längeren Auslandsaufenthalts in Westafrika habe ich erlebt, was es bedeutet, wenn medizinische Lieferketten nicht funktionieren oder praktisch nicht vorhanden sind. Da ich damals bereits mit Drohnen in einem anderen Kontext gearbeitet habe, wusste ich, dass sie eine Lösung für dieses Problem darstellen könnten, allerdings nicht die damals aufkommenden Multikopter. Reine Multikopter sind für solche Anwendungen in der Regel zu ineffizient. Zurück in Deutschland habe ich Jonathan Hesselbarth kennengelernt, der bereits seit Jahren an einer Kombination aus Multikopter und Flächenflieger tüftelte und erfolgreich erste Prototypen entwickelt hatte. Bereits nach dem ersten oder zweiten Treffen war uns beiden klar, dass wir daraus ein Unternehmen machen wollten. Kurz darauf kam unser dritter Mitgründer Ansgar Kadura hinzu, und 2017 haben wir dann Wingcopter offiziell gegründet.

Welche Art Drohnen stellen Sie her und welchen Zwecken dienen sie genau?
Plümmer: Wir haben aufbauend auf den Erfahrungen aus vielen Projekten rund um die Welt mit unserem ersten Modell, dem Wingcopter 178, kürzlich ein komplett überarbeitetes neues Modell entwickelt, den Wingcopter 198, mit einer Flügelspannweite von 198 und einer Länge von 152 cm. Während das erste Modell auch noch für Anwendungen wie Vermessung oder Inspektion eingesetzt wurde, ist der 198er explizit auf Lieferanwendungen optimiert. Diese Drohne ist zum Beispiel die erste weltweit mit einem Triple-Drop-Mechanismus, das heißt, man kann mit ihr auf einem Flug drei Pakete an drei unterschiedlichen Zielorten ablassen.

Wie werden Sie die Flieger weiterentwickeln?
Plümmer: Aktuell fokussieren wir uns bei den Einsatzfeldern noch stark auf medizinische Anwendungsfälle. Wir liefern mit dem Wingcopter beispielsweise Medikamente, Impfstoffe, Blutproben, Blutkonserven, medizinisches Equipment oder andere medizinische Güter schnell und zuverlässig an entlegene Krankenstationen in infrastrukturell schlecht erschlossenen Regionen wie in Malawi oder zwischen medizinischen Einrichtungen in ländlichen Gegenden der USA, wo der Einsatz von Kurieren häufig zu langsam und ineffizient ist. Perspektivisch wollen wir auch die Logistik auf der letzten Meile in anderen Bereichen wie der Paketzustellung oder für dringend benötigte Werkzeuge oder Ersatzteile, Lebensmittel und frisch zubereitetes Essen revolutionieren.

Ihre Kunden sitzen auch im Ausland. Wie sieht die internationale Ausrichtung aus? Haben Sie das von Anfang an mitgedacht?
Plümmer: Wir wollten von Anfang an international erfolgreich sein. Zum Teil, weil man in weniger entwickelten Gegenden mit der Technologie noch viel mehr bewirken kann als hierzulande. Zum Teil, weil uns klar war, dass der regulatorische Rahmen hier noch ein paar Jahre brauchen wird, bis ein flächendeckender Betrieb von Lieferdrohnen wirtschaftlich möglich ist. In anderen Ländern gibt es hingegen teilweise bereits nationale Drohnenstrategien, wie beispielsweise in Japan.

Wie sehen Sie die Akzeptanz/Förderung der Technik in Europa verglichen mit Asien und den USA im Bereich Air Mobilty?
Plümmer: Die Akzeptanz der Technologie ist bei medizinischen Anwendungsfällen bereits sehr hoch. Darüber wird nach und nach auch die Akzeptanz für andre Anwendungsbereiche folgen. Förderung würden wir uns ehrlich gesagt deutlich mehr wünschen in Deutschland bzw. Europa. Wingcopter ist auf dem Gebiet der Lieferdrohnen einer der Weltmarktführer und konkurriert hier unter anderem mit den großen amerikanischen Playern. Aber um unseren Vorsprung halten zu können, brauchen wir natürlich noch eine ganze Weile Investitionen, mit denen wir zum Beispiel unsere Forschung und Entwicklung weiter ausbauen oder verschiedene Dinge in Ruhe testen können. Es wäre toll, wenn staatliche Stellen dies erkennen würden.

Sie wurden von EXIST gefördert. Inwiefern hat Ihnen das beim Aufbau des Unternehmens geholfen?
Plümmer: EXIST-Gründungsstipendium war für uns drei Gründer ein erstes regelmäßiges Einkommen, das uns den vollen Fokus auf die Geschäftsentwicklung ermöglicht hat. Es war eine entscheidende Finanzierung, die uns unmittelbar vor der Gründung des Unternehmens sehr gut unterstützt hat, und wir würden uns ähnliche Programme auch unmittelbar nach der Gründung wünschen. Im Rahmen von EXIST haben wir zudem Räumlichkeiten am Institut für Automatisierungstechnik der TU Darmstadt zur Verfügung gestellt bekommen. Und wir wurden durch das HIGHEST-Team der TU Darmstadt weiterhin umfassend unterstützt.

Welche sind Ihre potenziellen Kunden?
Plümmer: Aktuell arbeiten wir hauptsächlich mit Krankenhäusern, medizinischen Laboren und sonstigen Einrichtungen im Gesundheitssektor und deren Partnern wie Luftrettungsunternehmen zusammen. Bei unseren humanitären Projekten werden wir in der Regel von Agenturen der Entwicklungszusammenarbeit wie der GIZ, von Nichtregierungsorganisationen wie UNICEF oder von Gesundheitsministerien oder anderen staatlichen Stellen beauftragt. Wir sprechen aber auch bereits mit vielen interessierten Logistikunternehmen, dem Lebensmitteleinzelhandel und Lieferdiensten. Grundsätzlich ist unser Service für jedes Unternehmen interessant, das Güter von einem zum anderen Ort transportieren muss.

Ist der Auftrag aus den USA Ihr erster im Ausland? Und was genau machen Sie für diesen Kunden?
Plümmer: Wir haben von Anfang an im Ausland gearbeitet. Unser erstes Projekt hat in Tansania stattgefunden. In Japan haben wir mit der größten Fluggesellschaft des Landes einen Partner, der mit uns ein drohnenbasiertes Liefernetzwerk zur besseren Versorgung ländlicher Regionen aufbaut. Seit Kurzem haben wir auch einen renommierten Partner aus Brasilien, mit dem wir den latein-amerikanischen Markt erschließen werden. Unser neuer Kunde in den USA baut derzeit im ganzen Land ein Liefernetzwerk auf, um medizinische Güter schneller zwischen Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen wie Laboren in ländlichen Regionen transportieren zu können. Wir sind hierfür als exklusiver Technologiepartner ausgewählt worden. In einem ersten Schritt werden wir Drohnen im Wert von 16 Millionen Dollar liefern.

Wer sind Ihre Investoren?
Plümmer: Wir haben sowohl deutsche als auch internationale Investoren an Bord. Aus Deutschland sind unter anderem das Land Hessen sowie einige der größten deutschen Unternehmen bei uns investiert. Und auch zwei große Investoren aus den USA sind bei uns an Bord.

War es schwierig, Unterstützung als Start-up zu bekommen? Und welches waren dabei die größten Herausforderungen?
Plümmer: EXIST-Gründungsstipendium hat uns zum Start sehr geholfen. Damit konnten wir einen Prototyp und einen Businessplan entwickeln. Für den Markteintritt brauchten wir deutlich mehr Geld und Zeit. Wir haben deswegen anfangs jeden Euro, den wir mit dem Verkauf eines Wingcopters eingenommen haben, komplett in die Firma reinvestiert und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, um schneller voranzukommen. So sind wir bis zu einer Teamstärke von 30 Leuten gewachsen. Erst dann sind erste institutionelle Investoren auf uns aufmerksam geworden und wir konnten Risikokapital aufnehmen, um schneller wachsen zu können. Allerdings waren wir anders als viele andere Start-ups in der glücklichen Lage, von Beginn an unser Produkt zu verkaufen und damit Einnahmen generieren zu können. Start-ups, bei denen das nicht der Fall ist, haben dann schnell noch mehr zu kämpfen. Inzwischen haben wir 120 Mitarbeitende.

Waren die operativen Rollen unter den Gründern von vornherein gleich klar?
Plümmer: Im Grunde ja. Als Erfinder der Technologie war Jonathan als CTO gesetzt. Mit seinem Wirtschaftshintergrund war es auch logisch, dass Ansgar sich um unsere Servicemodelle kümmern würde. Da ich jemand bin, der Menschen begeistern und Visionen vermitteln kann, hat es ganz gut gepasst, dass niemand anderes den CEO-Posten haben wollte…

Was hat man vor Augen, wenn man als Student ein Unternehmen gründet, wo man doch noch gar keine Erfahrungen in der Arbeitswelt hat?
Plümmer: Uns hat damals wie heute die Motivation angetrieben, die Welt zu verbessern. Wir haben realisiert, dass die von Jonathan entwickelte Technologie einen kleinen Teil dazu beitragen kann. Dafür haben wir alle drei sogar unser Studium abgebrochen. Wir wollten aber auch von Anfang an beweisen, dass sich ein sozialer Ansatz und wirtschaftlicher Erfolg nicht ausschließen müssen.

Was würden Sie Gründern raten?
Plümmer: Mein Rat ist, sich zum einen nicht einschüchtern zu lassen von Menschen, denen vielleicht einfach die Vorstellungskraft für revolutionäre Ideen oder Ansätze fehlt. Zum anderen ist es extrem wertvoll, schon früh mit seinem Produkt rauszugehen und Feedback von (potenziellen) Kunden einzuholen, wie man den größten Mehrwert für sie schaffen kann.

Inwiefern hat die Pandemie Ihr Unternehmen beeinflusst?
Plümmer: Einerseits hat die Pandemie das Arbeiten natürlich erschwert, da wir in Bereichen wie der Entwicklung und der Produktion auf die Anwesenheit der Mitarbeitenden angewiesen sind. Andererseits merken wir auch, dass das Thema autonome Systeme, insbesondere auch Drohnen, die eine kontaktlose Art der Lieferung ermöglichen, während der Pandemie an Akzeptanz in der Bevölkerung gewonnen hat.

Stand: April 2022