Seminarleiterin mit Teilnehmern

eine Seminarleiterin mit Teilnehmern

© iStock alvarez

Noch in 2015 wies ein Eckpunktepapier der Bundesregierung darauf hin, dass der deutsche Wagniskapitalmarkt gemessen an der deutschen Wirtschaftskraft eher klein ist. „Während in Deutschland rd. 0,02 % des Bruttoinlandprodukts investiert werden, steht in den USA relativ zur Wirtschaftskraft fast das 10fache (0,17 % des BIP) und in Israel knapp das 20fache des deutschen Wertes zur Verfügung. Auch an der Börse stehen in den USA - anders als in Deutschland - gemessen an der Marktkapitalisierung überwiegend Unternehmen ganz oben, die jünger als 20 Jahre sind.“

Damit das nicht so bleibt, startete noch im selben Jahr auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Deutsche Börse AG das "Deutsche Börse Venture Network". Dessen Ziel ist es, junge und wachstumsstarke Unternehmen mit internationalen Investoren zusammenzubringen, um ihnen eine effektive Finanzierung ihres Wachstums zu ermöglichen und ein umfassendes Netzwerk aufzubauen. Das Programm setzt sich aus Angeboten in den Bereichen Capital, Network und Skill zusammen. Diese umfassen etwa einen Matching Service für anstehende Finanzierungsrunden, Veranstaltungen, um z.B. neue Investoren in One-on-One Gesprächen zu treffen, speziell entwickelte Trainingsprogramme sowie eine nicht-öffentlichen Online-Plattform zur Anbahnung von Finanzierungsrunden.

Das Angebot zielt auf junge Unternehmen, die mit ihrem Produkt bereits erfolgreich am Markt sind und erste Umsätze verzeichnen. Das sei aber nicht die einzige Zielgruppe, so Eric Leupold, Leiter des Deutsche Börse Venture Network: „Wir haben auch Bio-Tech-Unternehmen in der Early-Stage-Phase im Netzwerk, die bisher nur eine Idee haben und noch an der Lizenzierung ihrer Produkte arbeiten. Eine Seed-Finanzierung muss allerdings schon vorhanden sein. Dazu gehören natürlich auch Start-ups, die über EXIST-Forschungstransfer gefördert werden und vielversprechende innovative Produkte entwickeln.“ Genauso wie Start-ups, die im Anschluss an eine Frühphasenfinanzierung durch den High-Tech Gründerfonds Investoren für eine weitere Finanzierungsrunde suchen.

Der Vorteil des Venture Network ist, dass Start-ups in der Früh- und Wachstumsphase nicht erst Zeit und Geld in die Suche von potenziellen Kapitalgebern investieren müssen, sondern über speziell entwickelte Veranstaltungen, den Venture Match Service sowie eine Onlineplattform mit geeigneten Investoren aus dem In- und Ausland in Kontakt kommen. „Ob das Start-up später an die Börse geht oder nicht, spielt keine Rolle, auch wenn es sich hier um ein Angebot der Deutschen Börse handelt“, ergänzt Eric Leupold.

Junge Unternehmen, die sich erfolgreich beim Deutschen Börse Venture Network bewerben, stehen drei Wege offen, um Investoren zu akquirieren:

Onlineplattform

Start-ups, die die Kriterien hinsichtlich Umsatz, Kapitalbedarf, Finanzierungsvolumen usw. erfüllen und Mitglied im Deutsche Börse Venture Network werden, erhalten zunächst Zugang zu der nicht öffentlichen Onlineplattform. Sie treffen dort auf mehr als 220 professionelle Investoren aus dem In- und Ausland, die sie nach individuellen Kriterien auswählen und direkt kontaktieren können. Seit dem Start verzeichnet die Onlineplattform über 130 junge Unternehmen vorwiegend aus den Bereichen E-Commerce, Fintech, Software sowie Gaming, Retail Technology und Telekommunikation. Eric Leupold ist zufrieden: „Seit Bestehen des Angebots konnten die Unternehmen im Venture Network rund 1,2 Milliarden Dollar einsammeln. Dazu haben auch die mehreren hundert Gespräche, die wir zwischen Start-ups und Investoren initiiert haben, beigetragen. Auch wenn der Börsengang für unsere Unternehmen absolut kein ‚Muss‘ ist, freuen wir natürlich besonders darüber, dass im September 2016 erstmals ein Unternehmen aus dem Venture Network an die Börse gegangen ist.“ 

Älterer Mann schüttelt jüngerem Mann die Hand, junge Frau sitzt daneben

© Getty Images

Venture Match

Eine weitere Möglichkeit, einen Investor zu finden, bietet die Teilnehme beim sogenannten Venture Match. Wie das Matching zwischen Start-up und Investor konkret aussieht, beschreibt Eric Leupold so: „Wenn ein Unternehmer zum Beispiel sagt, ich suche einen Investor, der mir für zehn Prozent meiner Unternehmensanteile 15 Millionen Euro gibt, gehen wir gemeinsam das Slide-Deck, also die Präsentationsfolien durch, und erstellen einen sogenannten Deal-Teaser. Dabei handelt es sich um eine kurze Unternehmenspräsentation, mit der wir dann gezielt auf geeignete Investoren aus unserem Netzwerk zugehen. Und wenn das auf Interesse stößt, bringen wir die beiden Parteien zusammen.“ Die Investmentmanager der Deutschen Börse organisieren dann ein Kennenlernen zwischen dem jeweiligen Start-up und den Investoren und moderieren bei Bedarf die Finanzierungsrunde. 

Investor Talks

Etwa zehnmal im Jahr finden die sogenannten Investor Talks in Frankfurt, Berlin, München, London, im Silicon Valley oder auch in Paris statt. „Dazu laden wir lokale Venture Capital- und Private Equity-Investoren ein, die auf bestimmte Branchen spezialisiert sind. In Kürze gibt es zum Beispiel in Monaco eine Veranstaltung nur zum Thema E-Commerce. Die 20 Start-ups, die wir dazu einladen, können sich schon im Vorfeld online mit den Investoren austauschen. Vor Ort präsentieren sie ihre Vorhaben dann in Fünf-Minuten-Pitches, anschließend geht es in Einzelgespräche mit den in Frage kommenden Investoren“, so Erick Leupold.

Auch Executive Trainings im Angebot

Gemeinsam mit der UnternehmerTUM in München hat die Deutsche Börse zwei Trainings entwickelt, die sich an frühphasige Unternehmen sowie an weiter fortgeschrittene Wachstumsunternehmen in der Later-Stage richten. Das Angebot richtet sich jeweils an bis zu 20 CEOs und CFOs der Start-ups aus dem Venture Network schult. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen wie Managing Growth in schnell wachsenden Unternehmen, um Financing Growth, also um Controlling, Reporting oder auch um passende Finanzierungsoptionen. Das Training für Later-Stage-Unternehmen behandelt zudem die Capital Market Readiness, die Kapitalmarktfähigkeit von Unternehmen.

Wie wichtig das Trainingsangebot ist, fällt Eric Leupold immer wieder auf, wenn er sich mit den Gründerinnen und Gründern austauscht. „Bei vielen Start-ups kommen das Rechnungswesen und die ganze Zahlenthematik zu kurz. Wie bereite ich Unternehmensdaten auf? Wie muss meine Steuerabteilung aussehen? Wie viele Personen sollten es sein? Wie sieht eine ordentliche Struktur im Bereich der Unternehmens-Governance aus? Gerade bei den wachstumsstarken Unternehmen fallen solche Themen gerne hinten runter. Von daher sehen wir das Trainingsangebot als guten Einstieg an, um sich mit den Anforderungen vertraut zu machen, die die Wachstumsphase an die Unternehmen stellt.“