Arbeitsgruppe Gründerteam

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Keine Frage: Nicht immer hält die Gründungsberatung, was sie verspricht. Mit einem für die Beratungsszene ungewöhnlichem Instrument möchte nun das Deutsche Institut für Normung (DIN) für mehr Qualität und Transparenz sorgen. Ab Sommer 2018 stellt es einen DIN-standardisierten Leitfaden für technologie- und wissensbasierte Gründungen zur Verfügung. Das HIGHEST-Beratungsteam der Technischen Universität Darmstadt war an der Entwicklung des DIN-Standards beteiligt und wird ihn als eine der ersten Hochschulen in der Praxis anwenden. 

Mehr als 700 Beratungsgespräche und mehr als 50 Gründungen. Das ist die Bilanz von HIGHEST, dem Innovations- und Gründungszentrum der Technischen Universität Darmstadt, das im Jahr 2013 seine Arbeit aufgenommen hat. Heute zählt das HIGHEST-Team 10 Köpfe, darunter auch Gründungsberaterin Gudrun Lantelme: „Wir haben bei HIGHEST über die Jahre eine Systematik entwickelt, die den gesamten Prozess der Geschäftsmodellentwicklung abbildet, und zwar weitgehend vollständig und strukturiert. Darauf legen wir großen Wert.“ Nun möchten die Darmstädter noch eins „draufsetzen“ und ihre Gründungsberatung standardisieren. Grundlage hierfür ist die sog. DIN SPEC 91354 „Startups - Leitfaden für technologie- und wissensbasierte Gründungen“.

Typische Gründerfehler vermeiden

Das Interesse daran, mit diesem Standard zu arbeiten, kommt nicht von ungefähr, schließlich stammt die ursprüngliche Idee dazu von einem Alumni der Darmstädter Hochschule: Dr. Meiko Hecker, Absolvent der TU Darmstadt und ehemals EXIST-geförderter Gründer. Er reichte die Idee im vergangenen Jahr bei einem Ideenwettbewerb des Deutschen Instituts für Normung (DIN) ein. „Mein Ziel war es, die Überlebenswahrscheinlichkeit von Start-ups zu erhöhen und die vielen Fehler, die man bei jungen Gründern immer wieder beobachtet, zu minimieren. Die Idee war daher, ein Instrument zu entwickeln, das Unternehmensgründungen nach objektivierbaren und nachprüfbaren Maßstäben unterstützt.

Im Prinzip soll der DIN SPEC Leitfaden sowohl Gründern als auch Beratern zeigen, an was von der ersten Gründungsidee bis zu den ersten unternehmerischen Schritten alles gedacht und welche Aufgaben erledigt werden müssen. Dabei will er den Kenntnisstand eines Serial-Entrepreneurs vermitteln. „Ein Serial-Entrepreneur hat – in der Regel – aus seinen Fehlern gelernt. Das bedeutet, er wird bestimmte Verhaltensweisen anwenden, um diese Fehler zukünftig zu vermeiden. Dieses Erfahrungswissen soll der Leitfaden an die Hand geben“, so Dr. Meiko Hecker.

Besprechung Start-up

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Nachdem er die Wettbewerbsjury von seiner Idee überzeugt hatte, richtete das DIN eine Expertenrunde ein. Deren Aufgabe: den Standard bzw. die DIN SPEC 91354 „Startups - Leitfaden für technologie- und wissensbasierte Gründungen“ im Detail auszuarbeiten. Neben Dr. Meiko Hecker und weiteren Akteuren aus der Gründungsszene gehörten auch Gudrun Lantelme sowie Professorin Dr. Carolin Bock vom Fachgebiet Gründungsmanagement der Technischen Universität Darmstadt zu den Mitgliedern der Expertenrunde. „Aufgrund unserer Beratungsarbeit bei HIGHEST konnten wir eine Reihe von Erfahrungen in die Runde einbringen. Dazu gehörten nicht zuletzt die vielen Faktoren, die bei einer Gründungsberatung leicht übersehen werden. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Ziele der Gründung. Da haben wir immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Mitglieder eines Gründungsteams stillschweigend davon ausgehen, dass das Unternehmensziel klar sei. Tatsächlich aber unterscheiden sich die Ziele der einzelnen Teammitglieder. Und genau das kann zu einem späteren Zeitpunkt für erhebliche Unruhe im Team sorgen. Insofern ist die frühzeitige Erarbeitung einer gemeinsamen Zielvision ein ganz wichtiger Punkt.“

Mehr Qualität in der Beratung

Es sei aber nicht so, dass man mit dem DIN-Leitfaden das Rad in puncto „Beratung“ neu erfinden wolle, so Gudrun Lantelme. „Mir liegt sehr am Herzen, dass die Beratungsqualität und die Beratungsinhalte insgesamt transparenter werden. Die Unterschiede sind ja bundesweit betrachtet immer noch sehr groß, nicht zuletzt weil viele Berater dabei ausschließlich ihre individuellen Erfahrungen zum Maßstab machen. Da beurteilt der Berater dann allein aufgrund seiner Branchenkenntnisse die Marktchancen eines Produkts, anstatt dass er dem Team rät, die Produktidee möglichst frühzeitig am Markt zu testen. Von daher würde ich mir wünschen, dass der Leitfaden bzw. die Standardisierung des Gründungsprozesses dazu führt, die Beratungsqualität zu verbessern. Das soll nicht heißen, dass sich an der Vielfalt der Methoden, der Kommunikation oder überhaupt an der individuellen Beratungssituation etwas ändern soll. Aber es wird  einfach sichergestellt, dass alle wesentlichen Elemente bedacht werden und das unabhängig von den speziellen Schwerpunkten der Beratenden“, so Gudrun Lantelme.
Meeting von Startup-Gründern

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Chancen der Zertifizierung

Darüber hinaus könnte die DIN SPEC 91354 zukünftig auch zu mehr Transparenz auf dem Beratermarkt führen und die Suche nach geeigneten Gründungsberatern erleichtern. Denn: Der Hinweis auf die DIN SPEC 91354 bietet Gründerinnen und Gründern immerhin einen Anhaltspunkt dafür, wie der betreffende Berater vorgeht bzw. welche Inhalte er mit dem Team durchgehen wird. Letztlich stellt sich die Frage, warum sich Berater zukünftig nicht nach DIN SPEC zertifizieren lassen sollten? Gudrun Lantelme: „Eine Zertifizierung würde meines Erachtens auf jeden Fall zu mehr Transparenz und Qualität der Beratung beitragen.“

De-Won Cho vom Deutschen Institut für Normung führt hierzu aus: „Die Zertifizierung ist zwar noch Zukunftsmusik, aber es wäre durchaus denkbar, dass mittel- bis langfristig die in der Start-up-Szene beteiligten Unternehmen und Institutionen ihre Konformität zu diesem Standard auch nach außen darstellen möchten, einfach weil dadurch bei allen miteinander agierenden Stakeholdern noch einmal ein großes Stück Vertrauen und dadurch Akzeptanz ausgelöst wird. Egal, ob Start-ups, Hochschulen, Berater oder Finanziers: Wer nachweisen kann, dass er nach dem Leitfaden arbeitet oder Beratung für die Start-ups im Geiste des Leitfadens anbietet, drückt damit aus, dass er die Mindestanforderungen erfüllt, um die Überlebenswahrscheinlichkeit für das Start-up signifikant zu erhöhen und grobe Fehler während der Gründung zu vermeiden.“

Ob sich all die in die DIN SPEC 91354 gesetzten Erwartungen erfüllen werden, wird die Praxis zeigen. Gudrun Lantelme und ihre Kollegen sind jedenfalls gespannt, ob und wie sich die Arbeit mit dem DIN-Standard auswirken wird. Und vor allem, ob die Zahl der am Markt erfolgreichen jungen Unternehmen tatsächlich zunehmen wird. Ab Sommer 2018 geht es los. Ab dann steht der Leitfaden kostenfrei als Download auf der Seite des Beuth-Verlags zur Verfügung.

Stand: Februar 2018