Prof. Dr. Alexandra Wuttig

Prof. Dr. Alexandra Wuttig

© Internationale Hochschule (IU)

Prof. Dr. Alexandra Wuttig ist Kanzlerin der Internationalen Hochschule (IU) und zudem Initiatorin des Programms „we Female Founders“, das Gründerinnen durch innovative und kostenlose On- und Offline-Programme unterstützt. Auch dank eines speziellen Online Mentoring-Programms soll der Anteil an Gründerinnen in der Start-up-Szene erhöht werden.

Frau Prof. Dr. Wuttig, laut Female Founders Monitor des Deutschen Startup Verbandes liegt der Gründerinnenanteil bei Start-ups in Deutschland bei knapp über 20 Prozent. Worin bestehen nach Ihrer Erfahrung die wichtigsten Hebel, um mehr Absolventinnen und Wissenschaftlerinnen zum Gründen zu motivieren?
Ermutigung und Ausbildung von Frauen im MINT-Bereich: Frauen sind immer noch in den MINT-Fächern unterrepräsentiert. Diese Fächer sind oft die Basis für viele Start-ups, insbesondere im Tech-Bereich. Indem mehr Frauen in diesen Bereichen ausgebildet und gefördert werden, kann der Pool potenzieller Gründerinnen erweitert werden. Auch die Präsenz von erfolgreichen weiblichen Gründerinnen als Role Models kann erheblich zur Inspiration und Motivation beitragen. Wir zeigen und machen Role Models nahbar, wir klären über Hürden aber auch über Chancen auf und vernetzen Gründerinnen miteinander. Das alles sind Maßnahmen, die nicht nur in der Hochschullandschaft zu einer Steigerung der Anzahl an Gründerinnen führen. Insgesamt muss jedoch an vielen Fronten gleichzeitig gearbeitet werden, um echte Veränderungen zu bewirken. Es handelt sich um ein systemisches Problem, das systemische Lösungen erfordert. Es geht nicht nur darum, Frauen zu ermutigen, ein Unternehmen zu gründen, sondern auch darum, die Barrieren zu beseitigen, die sie daran hindern könnten.

Sie bieten im Rahmen von EXIST-Potentiale das Programm „we Female Founders“ für Gründerinnen an. Es richtet sich an Frauen, die sich bereits für eine Gründung interessieren. Wie sensibilisieren und motivieren Sie Studentinnen, Absolventinnen und Wissenschaftlerinnen im Vorfeld für eine Unternehmensgründung?
Durch Events aber auch durch Interviews mit Gründerinnen, die wir auf unterschiedlichen Kanälen an unsere Studierenden und Alumnae adressieren. Wir zeigen den Facettenreichtum des Gründens auf und erzeugen so Lust auf mehr.

Was ist das Ziel von „we Female Founders“? Was bietet die Initiative im Unterschied zu anderen Gründerinnen-Netzwerken und Initiativen an?
Es war von Anfang an unser Ziel, keine theoretischen Ausführungen zu machen, sondern die Wirklichkeit zu zeigen. D.h. wir haben von Anfang an nur Vortragende aus der Praxis gehabt ­– darunter auch viele Gründerinnen –, die gerne ihr Wissen auf Augenhöhe weitergeben wollten. Zudem ist das Programm online. Das macht es Gründerinnen in allen Lebenssituationen und von allen Standorten aus möglich, an unserem Programm teilzunehmen. Neben unserem Live-Angebot haben die Gründerinnen außerdem die Möglichkeit, jederzeit auf über 50 aufgezeichnete Workshops zuzugreifen. Außerdem ermöglicht unsere KI-basierte Plattform den Gründerinnen den Zugang zu Gründerinnen aus den vergangenen we Female Founders-Runden und aus unserem Netzwerk, zu potenziellen Co-Founderinnen und Co-Foundern, gründungsrelevantem Wissen und zu weiblichen Business Angels. Denn auch die Frage nach einer Finanzierung stellt häufig eine Barriere für erfolgreiche Gründerinnen-Teams dar.


Welche Interessentinnen können sich aktuell bewerben? Welche Hochschulen bzw. welche Themenschwerpunkte und Abschlüsse sind von Vorteil? Ist eine Bewerbung vor und nach der Gründung möglich?
Im Moment ist eine Bewerbung nicht mehr möglich, da die dritte Runde gerade läuft. Aber natürlich sind neue Termine in Arbeit. Für eine erfolgreiche Bewerbung braucht es ein aussagekräftiges Motivationsschreiben und ein kurzes Video, in dem wir die Gründerin und ihr Gründungsvorhaben etwas kennenlernen können. Zudem braucht es die Bereitschaft, sechs Monate lang einige Stunden in dieses Programm und damit in die eigene Zukunft zu investieren. Da wir der Meinung sind, dass besonders diverse Teams am erfolgreichsten sind, sehen wir keinen Themenschwerpunkt oder Abschluss im Vorteil.

we Female Founders“ bietet Webinare zu verschiedenen Gründungsthemen an. Darunter z.B. „Was ist eine starke Marke?“ Wodurch unterscheidet sich die Veranstaltung von konventionellen Infoveranstaltungen, die sich sowohl an Gründerinnen als auch an Gründer richten?
Die Veranstaltung, die Sie ansprechen, durfte ich als Dozentin halten und hier war es genauso wie bei den anderen Veranstaltungen wichtig, Ratschläge zu geben, die wirklich nützlich und umsetzbar sind. D.h. es hilft den Teilnehmerinnen mehr, das Thema Marke nicht nur aus der Rechtsperspektive, sondern auch aus Marketing und betriebswirtschaftlicher Sicht zu betrachten.

we Female Founders“ soll sich zu einer hochschulübergreifenden und bundesweiten Initiative entwickeln. Welche Hochschulen unterstützen aktuell die Initiative? Wie sieht diese Unterstützung aus und welche Vorteile haben die Hochschulen dadurch?
Tatsächlich haben wir auf den EXIST-Workshops in Karlsruhe und Cottbus Kolleginnen und Kollegen der Design Factory Pforzheim der Hochschule Pforzheim, der Garage 33 der Universität Paderborn, des HRWStartUps-Programms der Hochschule Ruhr West, der Universität Passau und des Programms WES der Universität Wuppertal kennengelernt. Diese Hochschulen und Universitäten haben uns durch Workshops in unseren Programmen tatkräftig unterstützt. Gleichzeitig waren wir Gast-Referenten bei ihren Events und konnten mit ihnen unsere Erfahrungen teilen. Mit einigen der Hochschulen und Universitäten sind wir bereits in den ersten Gesprächen, ob eine Nutzung unserer Plattform für sie interessant wäre.

Wie viele Gründerinnen haben sich seit Bestehen Ihrer Initiative daran beteiligt? Wie war die Resonanz darauf und was wurde als besonders positiv hervorgehoben?
Seit Bestehen der Initiative haben 170 Frauen an dem Programm teilgenommen. Mit vielen von ihnen sind wir heute noch persönlich, auf den sozialen Medien und auf unserer Plattform in Kontakt. Außerdem unterstützen wir alle (ehemaligen) Teilnehmerinnen mit mehr Sichtbarkeit auf unseren Social-Media-Kanälen, mit relevanter Vernetzung in unserem Netzwerk und persönlich mit unserem Wissen. Das wissen unsere Teilnehmerinnen sehr zu schätzen. Tatsächlich haben sich auch wertvolle Freundschaften in dieser Zeit unter den Gründerinnen entwickelt. Neben dem Netzwerk stufen unsere Gründerinnen den Inhalt unseres Programms aber auch als sehr vielseitig, realitätsnah und interessant ein. Ein weiterer Pluspunkt ist die Plattform, auf der die Frauen auch nach der aktiven Teilnahme an unserem Programm bleiben dürfen.

Wie kann man dem Trend entgegenwirken, dass Frauen sich weniger häufig als Männer vorstellen können, ein Start-up zu gründen?
Ich glaube, hier wäre es wichtig, früh anzusetzen und schon in der Schule das Gründungsinteresse zu wecken. Eine Möglichkeit dafür wäre die Einführung des Schulfachs „Entrepreneurship“. Ein „Entrepreneurial Spirit“ ist nicht nur fürs Gründen nützlich, sondern kann auch im normalen Leben sehr hilfreich sein. Ich versuche meinen Mädchen das auch beizubringen und unterstütze sie bei jeder Idee, die sie haben. Auch am Ende der Schulzeit und über die Schule hinaus, also in den Universitäten und Hochschulen, müssen Initiativen geschaffen werden, die Frauen für MINT-Fächer sensibilisieren, denn aus diesen Fächern resultieren – wie bereits erwähnt – sehr häufig Start-up-Gründungen. Gleichzeitig müssen Frauen aber auch darin bestärkt werden, ihr berufliches Netzwerk auszubauen. Damit ist es dann möglich, sich gegenseitig zu unterstützen und zu empowern. Es muss also einen grundlegenden Kulturwandel geben, der auf den Abbau von stereotypischen Klischees Wert legt, aber auch einen Wandel in der Politik für bessere Vereinbarkeiten und Rahmenbedingungen. Darüber hinaus werden bereits viele Schritte in die richtige Richtung unternommen, aber es muss mehr sensibilisiert werden. Auch Incentives für diverse Teams können ein Schlüssel sein.

In Studien – beispielsweise des Instituts der deutschen Wirtschaft – wird die Selbsteinschätzung junger Frauen hinsichtlich ihrer Kreativität und Flexibilität, die als relevante Gründungsfähigkeiten angesehen werden, als unterrepräsentiert eingestuft. Woran liegt das und wie lässt sich gegensteuern?
Ich denke, wir als Gesellschaft stufen die Mädchen und Jungen von vornherein unterschiedlich ein. Das prägt. Jungs werden – um ein plakatives Bild zu zeichnen – als „Superman“ gesehen und erzogen, während die Mädchen immer zurückhaltend zu sein haben und eher als „Prinzessin“ dargestellt werden. Eine Idee könnte daher sein, eine jährliche „Gründungswoche“ einzuführen. Am besten bereits in der Grundschule, wo die Kinder anhand von Projekten Selbstvertrauen gewinnen können und gleichzeitig wichtige Zukunftsskills lernen.

Weibliche Gründungsteams erhalten deutlich weniger Investitionen und schlechtere Bewertungen als von Männern gegründete Unternehmen. Warum denken Sie, ist das so und wie kann man den Zustand verbessern?
Zum Teil liegt es daran, wie weibliche Gründerinnen von Investorinnen und Investoren wahrgenommen werden. Während männliche Gründer z.B. als „zielstrebig“ angesehen werden, werden weibliche Gründerinnen mit dem gleichen Lebenslauf als „bissig" oder „verbissen“ tituliert. Zum anderen liegt es auch daran, dass oft Frauen Geschäftsideen haben, die sich primär an Frauen als Zielgruppe richten und der Mangel an Investorinnen auf der Geldgeberseite macht sich dann auch hier bemerkbar. Obendrein ist bekannt, dass Investorinnen und Investoren am liebsten in Unternehmerinnen und Unternehmer investieren, die ihnen selbst ähnlich sind. Das führt häufig dazu, dass Männer in Männer und Frauen in Frauen investieren. Erschwerend kommt hinzu, dass sich 84 Prozent der Gründerinnen aus den aktuellen Studien der KfW Research und dem Female Founders Monitor bei Gesprächen mit potenziellen Investorinnen und Investoren einem höheren Anteil an „Risikofragen“ ausgesetzt sahen als Männer. Diesen wurden mehr so genannte „Chancen-Fragen“ gestellt. Da es laut dieser Studien aber zu wenig Frauen in der Venture Capital-Branche gibt (17 Prozent als Angestellte, nur 7 Prozent als Partnerinnen), kann sich diese „Unconscious Bias“ nur schwierig auflösen. Ein Ziel für mehr Investitionen in weibliche Start-ups kann also die Förderung von weiblichem Kapital sein und mehr Frauen als Entscheidungsträger in der VC-Branche.

Braucht es in der Männerdomäne von Kapitalgebern mehr Investorinnen? Schließlich sprechen die Zahlen bei durchschnittlich 23 geschaffenen Arbeitsplätzen pro Gründerin versus 17 Arbeitsplätzen pro Gründer für größere Invests in Frauen-Start-ups.
Definitiv, hier ein ganz großes JA. Dafür setzen wir uns auch u.a. mit der Studie, respektive dem Diskussionspapier „Mehr weibliche Business Angels führen zu mehr Startup Gründerinnen“ ein. Zum Glück wird es mittlerweile auch auf EU-Ebene gesehen und in der neuen EU-Innovationsagenda wird das Ziel, die Anzahl der weiblichen Investorinnen zu steigern, deutlich genannt. Eine größere Sensibilisierungsaktion und eine Anlaufstelle für mögliche Investorinnen sind vielleicht hier nötig. Einen ersten Schritt wollen wir mit der genannten KI-Plattform leisten. In unserem Matchmaking-KI-Tool können Gründerinnen und Investorinnen ihr Know-how teilen, voneinander lernen und ihr Netzwerk erweitern.

Stand: Juni 2023