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"In der Landwirtschaft müssen viele Prozesse regelmäßig in Frage gestellt werden, um eine optimale Lösung für Produzenten, Verbraucher und Umwelt zu finden."
Die Bevölkerungszahl nimmt weltweit zu. Umso wichtiger sind Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft und zukünftige Ernährungssicherung. Agrar- und Food-Start-ups können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Um ihnen den Weg in den Markt zu erleichtern, wünscht sich Dr. Julia Rosendahl geeignetere Rahmenbedingungen. Sie ist Sprecherin der Fachgruppe AgTech beim Bundesverband Deutsche Startups.
Frau Dr. Rosendahl, Sie sind die Sprecherin der Fachgruppe AgTech beim Bundesverband Deutsche Startups. Welche Ziele verfolgt die Fachgruppe?
Dr. Rosendahl: Wir möchten die Interessen der jungen Unternehmen in der Agrar-Tech-Branche bündeln und gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Vertretern der etablierten Landwirtschaftsbranche kommunizieren. Dazu führen wir zum Beispiel gemeinsame Auftritte auf Fachmessen durch und fördern den Austausch zwischen allen Beteiligten. Insgesamt möchten wir dazu beitragen, dass Agrar- und Food-Start-ups mehr Aufmerksamkeit in der gesellschaftlichen Debatte über die Zukunft unserer Landwirtschaft erhalten.
Das Spektrum in der Agrarbranche ist sehr breit.
Dr. Rosendahl: Ja, von der Tierhaltung und Tierernährung über den Pflanzenanbau bis hin zur globalen Ernährungssicherung ist alles vertreten. Allein die 29 Start-ups, die sich bislang der AgTech angeschlossen haben, spiegeln die Diversität der Branche wieder. Zu unserer Fachgruppe gehört zum Beispiel ein Unternehmen, das Geo- und Klimadaten verwaltet, ein anderes betreibt eine Handelsplattform für landwirtschaftliche Produkte und wieder andere bieten ein Monitoring-Systeme für Milchkühe oder auch Diagnostik-Möglichkeiten für Pflanzenschädlinge und Krankheiten an. Es passiert enorm viel in der Branche und auch die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit steigt zunehmend.
Wie sieht es denn mit dem Gründungsinteresse im Bereich Agrar und Food aus?
Dr. Rosendahl: Das Gründungsinteresse und die Zahl der Gründungen ist in den letzten Jahren auf jeden Fall gestiegen. Eine Recherche zu Start-ups im deutschen Agribusiness bezieht sich auf den Zeitraum 2009 bis 2017 und ergab eine Gesamtzahl von 103 jungen, innovativen Wachstumsunternehmen. Die Gründerinnen und Gründer kommen aus Hochschulen oder haben zuvor als Angestellte in Unternehmen gearbeitet. Es gibt auch einige, die zunächst gar keinen Bezug zur Landwirtschaft hatten, deren Technologie sich aber sehr gut übertragen ließ, so dass sie sich darauf fokussiert haben.
Sind viele der Gründerinnen und Gründer nicht auch Überzeugungstäter im Sinne von: Wir wollen was tun, um die globalen Probleme wie Klimawandel oder Ernährungssicherung anzugehen?
Dr. Rosendahl: Ja, definitiv. Ich glaube, das ist auch einer der wichtigsten Aufträge, die Start-ups und junge Unternehmen in der Agrarbranche haben. Dabei werden die gegenwärtigen Technologien und Verfahren immer wieder herausgefordert, besser und idealerweise ökologisch nachhaltiger zu werden. In der Landwirtschaft, wie auch in anderen Branchenzweigen, gibt es viele Prozesse, die regelmäßig in Frage gestellt werden müssen, um am Ende eine optimale Lösung für Produzenten, Verbraucher und die Umwelt zu finden. Ich kenne viele, die da mit viel Leidenschaft bei der Sache sind.
Kommen wir zu den besonderen Herausforderungen, die Start-ups in der Agrarbranche bewältigen müssen. Welche würden Sie da hervorheben?
Dr. Rosendahl: Man muss sehen, dass die Entwicklungszeiten relativ lange dauern. Viele der Gründerinnen und Gründer kommen aus der Forschung. Das bedeutet, sowohl der Zeit- als auch der Kapitalaufwand bis zur Marktreife ist in der Regel sehr hoch. Viele sind auf landwirtschaftliche Betriebe angewiesen, die sowohl ihre Flächen sowie Ställe bzw. ihre Tiere zur Verfügung stellen, um zum Beispiel neuartiges Saatgut, Dünger, Futtermittel oder auch innovative Robotik-Systeme zu testen. Das ist nicht einfach, denn für den Landwirt bedeutet es ja auch ein gewisses Risiko, neue Techniken bzw. Lösungen einzuführen. Es muss zum Beispiel mir der Versicherung geklärt werden, was geschieht, wenn ein Schadensfall eintritt. Auch das erhöht den Kapitalbedarf. Erschwerend kommt hinzu, dass es noch zu wenige Investoren gibt, die sich auf unseren Bereich spezialisiert haben. Erfreulicherweise scheint sich das aber gerade zu ändern. Es gibt immer mehr Venture Capital Fonds, die sich auf diesen Bereich fokussieren oder zumindest miteinschließen.
Welche Startbedingungen wünschen Sie sich für Gründerinnen und Gründern in der Agrarbranche? Was sollte sich ändern?
Rosendahl: Wir haben in der AgTech einige Punkte zusammengefasst, die unseres Erachtens wichtig sind, um die Landwirtschaft von morgen zu gestalten. Dazu gehören zum Beispiel Gründerzentren im ländlichen Raum, um den Testzugang zu landwirtschaftlichen Betrieben zu erleichtern.
Was ich schon erwähnte, sind spezielle Wagniskapitalfonds, von denen es die ersten bereits gibt. Darüber hinaus wünschen wir uns Förderprogramme, die den langen Entwicklungszeiten der Agrarinnovationen angepasst sind. Idealerweise sollten darüber auch etwaige Versicherungskosten abgedeckt werden. Damit würde die Bereitschaft der Landwirte, mit Start-ups zu Testzwecken zusammenzuarbeiten, erhöht werden.
Unterstützung braucht es auch bei der Implementierung innovativer Verfahren und Produkte in industrielle Herstellungsverfahren. Da wünschen wir uns mehr politische Unterstützung, vor allem wenn es um innovative Lösungen geht, die einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit in der Land- und Forstwirtschaft leisten können. So sollte es zum Beispiel möglich sein, dass auch kleine Start-ups, die nicht über einen Overhead wie ein Agrarkonzern verfügen, Zulassungen für neue Produkte oder Verfahren beantragen können.
Es gibt in Deutschland auf der einen Seite die Agrarförderung, auf der anderen Seite die Wirtschaftsförderung. Beide bieten unterschiedliche Konditionen an. Müsste sich nicht grundsätzlich etwas an der Förderung ändern?
Dr. Rosendahl: Auf jeden Fall! Die derzeitigen Ausschreibungen sind sehr spezifisch und eng formuliert. Da gibt es durchaus Start-ups, die thematisch hineinpassen würden, aber aufgrund der Richtlinien keine Chance haben. Insofern wünschen wir uns da mehr Offenheit sowie längere Förderzeiträume. Auch die Zusammenarbeit mit Entwicklungspartnern, wie zum Beispiel Landwirten, sollte dabei berücksichtigt werden. Im Grunde kann man sagen, dass die Fördergeber für sich eine Art Innovationskultur aufbauen müssen und ihre Richtlinien für Ideen öffnen, die bislang nicht berücksichtigt werden.
Sie selbst haben mit Ihren Kolleginnen Hannah Braun, Katharina Schrapers und Dr. Friederike Stumpff im Jahr 2015 mit Unterstützung von EXIST die PerformaNat GmbH gegründet. Wie geht es Ihnen heute?
Dr. Rosendahl: Uns geht es gut. Wir stecken derzeit mitten in Entwicklungsarbeiten für weitere Futtermittelzusätze und haben eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Mit unserem ersten Produkt, einem Futtermittelzusatz für Milchkühe, erzielen wir bereits erste Umsätze. Ein nächster großer Schritt ist für uns der erste internationale Messeauftritt, der Ende des Jahres stattfinden wird.