Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e. V.

Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e. V.

© Jörg Farys

Nachhaltigkeit und Klimaschutz gewinnen in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Das spiegelt sich auch in den Geschäftsmodellen von Gründungen wider: ‚Grüne‘ Start-ups verankern in ihrem Kerngeschäft ökologische und bzw. oder soziale Nachhaltigkeitsleistungen. Knapp ein Drittel aller Start-ups in Deutschland ist laut des Green Startup Monitors von 2022 im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit zu verorten. Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft e. V., spricht über ihre Bedeutung.

Frau Dr. Reuter, sehen Sie einen Trend hin zu ‚grünen‘ Start-ups?

Dr. Katharina Reuter: Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit gesetzt haben, gehören seit ein, zwei Jahren zu den gefragtesten Rollenvorbildern für die Transformation. Der Anteil der Gründungen von ‚grünen‘ Start-ups wächst, das zeigen uns die Zahlen des Green Startup Monitors von 2022 ganz deutlich. Gleichzeitig beobachten wir einen Mitgliederzuwachs im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e. V.

Diese Themen werden auch von der neuen Bundesregierung stärker fokussiert ...

Dr. Reuter: Wir sind sehr dankbar, dass die beiden Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im neuen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zusammen gedacht werden. Das Thema Klimaschutz muss genug Beachtung bekommen. Wir wollen dafür sorgen, dass Cleantech der nächste Exportschlager aus Deutschland wird. Cleantech bedeutet saubere Technologien und umfasst beispielsweise Lösungen im Bereich der Energieeffizienz, Speichertechnologien oder Energie-Infrastruktur und dabei besonders auch digitale Lösungen. So kann Deutschland an der Stelle Pionier und Weltmarktführer werden.

Neben den Start-ups betrifft das Thema ‚grün‘ natürlich auch etablierte Unternehmen. Wie können diese grüne Start-ups unterstützen?

Dr. Reuter: Wir beobachten mit regem Interesse, wie immer mehr große Unternehmen, aber auch kleine und mittlere aus dem Mittelstand, speziell an Nachhaltigkeits-Themen teilhaben. Entweder sie bauen ein eigenes Ökosystem auf, beteiligen sich an grünen Accelerator-Programmen oder lassen selbst ‚grüne‘ Start-ups bei sich andocken. Und sie entwickeln natürlich auch selbst umweltorientierte Produkte und Leistungen.

Können Sie uns Beispiele für diese Partnerschaften nennen?

Dr. Reuter: Zu den spannenden neuen Projekten zählt etwa das Circular Valley in Wuppertal. Das Projekt möchte der Technologieregion Silicon Valley in Kalifornien ein nachhaltiges Pendant in Wuppertal entgegensetzen. Dieser Accelerator dreht sich rund um die Kreislaufwirtschaft, die ‚circular economy‘, und nimmt zweimal im Jahr grüne Start-ups auf. Ein weiteres Projekt wäre der Smart Green Accelerator aus Baden-Württemberg. Er wurde ins Leben gerufen von der Gründungsoffensive Start-up BW des Landes Baden-Württemberg in einer Public-Private-Partnership. Auch dieser Accelerator bringt Start-ups mit Mentorinnen und Mentoren zusammen.

Was kann jedes große Unternehmen wie auch jedes Start-up in Deutschland konkret für die Nachhaltigkeit tun?

Dr. Reuter: Das geht ganz einfach mit der praktischen EBM-Formel und ist viel leichter, als viele Unternehmen glauben. EBM bedeutet E wie Energie, will heißen, einen Umstieg auf einen ‚echten‘ Ökostrom-Anbieter, der nicht in fossile Energien investiert. Diese Anbieter lassen sich einfach etwa über ein unabhängiges, gemeinnütziges Portal wie Wirklich Grün finden. Ein weiterer Aspekt der EBM-Formel ist B wie Bank. Viele Unternehmen machen sich nicht klar, wofür ihr Geld genutzt wird. Ist es für fossile Energien oder fossile Energieträger tätig oder für zukunftsträchtige Themen? Deswegen wäre ein Wechsel zu einer ethisch-ökologischen Bank unser zweiter Tipp.

Was bedeutet das M?

Dr. Reuter: Schließlich der letzte Teil der Formel lautet M wie Mobilität. Allein in der Coronavirus-Krise haben wir gesehen, wie in vielen Unternehmen der Wunsch beispielsweise nach Fahrradmobilität geäußert wird. Wir empfehlen zum Beispiel die Einführung von einem Leasing-Anbieter für Diensträder und -E-Bikes oder einem Jobticket für den öffentlichen Nahverkehr. Es ist erwiesen, dass die Mitarbeitenden weniger Krankheitstage haben, wenn sie mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen.

Green Startup Monitor 2022 – die Lage von grünen Start-ups in Deutschland:

  • 29 % der deutschen Start-ups sind grün.
  • 51 % aller Start-ups in Deutschland haben ihre gesellschaftliche bzw. ökologische Wirkung in ihre Key-Performance-Indikatoren integriert.
  • Die drei größten Herausforderungen von grünen Start-ups sind Vertrieb (63 %), Produktentwicklung (44 %) und Kapitalbeschaffung (37 %).
  • Die Gründerinnenquote von grünen Start-ups ist mit 21 % höher als bei Start-ups allgemein (16 %) und hat um 2 Prozent zugelegt.
  • Nur 16 % verfügen über eine Finanzierung strategischer Investoren, fast die Hälfte (47 %) wünscht sich diese aber.
  • Grüne Start-ups benötigen ein gezieltes Matchmaking mit Investierenden, die Wert auf Nachhaltigkeit legen.

(Quelle: Green Startup Monitor 2022, herausgegeben vom Borderstep Institut und dem Bundesverband Deutsche Startups)

Stand: März 2022