Prof. Dr. Harald von Korflesch

© Henriette Kriese

Mit „StArfrica – Startup Germany-Africa“ fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erstmals den wechselseitigen Ausbau der Gründungsförderung aus der Wissenschaft in Deutschland und Ruanda. Das vierjährige Pilotprojekt wird vom Zentralen Institut für Scientific Entrepreneurship & International Transfer (ZIFET) der Universität Koblenz-Landau in Kooperation mit der University of Rwanda in Kigali durchgeführt. Prof. Dr. Harald von Korflesch, Direktor des ZIFET, erklärt im folgenden Interview, worum es bei dem Projekt geht.

Herr Professor von Korflesch, bei StArfrica - Startup Germany-Africa arbeitet das ZIFET der Universität Koblenz-Landau zusammen mit der University of Rwanda. Wie kam es zu der Kooperation?

Prof. von Korflesch: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst einmal kooperiert die Universität Koblenz-Landau schon seit vielen Jahren mit der University of Rwanda. Dabei handelt es sich hauptsächlich um naturwissenschaftliche Projekte. Aufgrund dieser langjährigen Kooperation ist vor drei Jahren das Ruanda-Zentrum und Büro für Afrika-Kooperationen entstanden.

Außerdem war das ZIFET bereits im Rahmen des EXIST-IV-Projekts „AccEnt“, das uns den Titel „EXIST-Gründerhochschule“ eingebracht hat, in Ruanda. Wir hatten damals schon die Internationalisierung der Gründungsförderung auf dem Radar, so dass wir sowohl in Kenia, vor allem aber auch in Ruanda Design-Thinking-Seminare durchgeführt haben. Wir wollten herausfinden, welches Potenzial es für Existenzgründungen aus der Wissenschaft dort gibt.

Und wie war die Resonanz?

Prof. von Korflesch: Wir haben sehr positive Rückmeldungen von den Studierenden erhalten. Die waren wirklich sehr engagiert und begeistert. Das ist eigentlich auch kein Wunder, denn allein an der University of Rwanda sind etwa 50 Prozent der Studierenden in MINT-Fächern, also in naturwissenschaftlichen, mathematischen und informatiknahen Fächern, eingeschrieben. Das ist für Existenzgründungen aus der Wissenschaft natürlich ein besonders förderlicher Faktor.

Sie sagen, das Interesse war groß – kann man denn tatsächlich auch von einer Start-up-Szene in Kigali sprechen?

Prof. von Korflesch: Ja, auf jeden Fall. Ruanda ist ein Melting Pot für Start-ups in Ostafrika. Nicht nur die Regierung, auch viele in- und ausländische Organisationen vor Ort unterstützen die Entwicklung von Unternehmertum in Kigali bzw. Ruanda. Wir positionieren uns dabei mit dem Projekt StArfrica bewusst an der Universität, um Existenzgründungen aus der Wissenschaft zu fördern. Dabei betreten wir durchaus kein Neuland. In Ruanda gibt es bereits sowohl vielversprechende und bekannte Tech-Start-ups als auch Gründerinnen und Gründer, die im sozialen, ökologischen oder kulturbezogenen Bereichen unterwegs sind.

Können Sie Beispiele nennen?

Prof. von Korflesch: Ja, Generation Rise widmet sich zum Beispiel dem Empowering von Mädchen über kritische Selbstreflektion der Frauenrolle in Afrika. Ruanda ist in der Beziehung ein sehr interessantes Land, weil das Thema Gender Equality ziemlich weit oben auf der Agenda steht. Auch in der Politik sind vergleichsweise viele Ministerinnen vertreten. Man kann sogar sagen, dass sich das Thema Geschlechter-Gleichstellung von der politischen Ebene runterbrechen lässt auf die Start-up-Szene. Das heißt, es gibt relativ viele Gründerinnen in Ruanda. Das hat sich auch in unseren Workshops bemerkbar gemacht, an denen zu mindestens 50 Prozent Studentinnen teilgenommen haben.

Ein Beispiel für ein Green Start-up ist die Ruanda Bio Solution Limited, das organischen Dünger aus Gras und Haushaltsabfällen unter Verwendung wirksamer Mikroorganismen für die Landwirtschaft entwickelt. Das Spannende im Agrarbereich ist ja, dass es hier ein breites Anwendungsfeld für Digitalisierung, etwa in Form von Sensoren oder Drohnen gibt. Aber auch unabhängig vom Agrarbereich ist Ruanda gerade dabei, sich in Ostafrika und darüber hinaus zu einem Zentrum für Digitalisierung zu entwickeln. Die Regierung hat dazu einige nachhaltige Investitionsprogramme aufgelegt.

Ein Ziel von StArfrica ist der wechselseitige Ausbau der Gründungsförderung aus der Wissenschaft. Was genau bedeutet „wechselseitig“?

Prof. von Korflesch: Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen, voneinander zu lernen und die Gründungsaktivitäten in beiden Ländern voranzutreiben. Wir sind mit der Mission an den Start gegangen, dass wir ein Triple-win erzielen wollen. Wir wollen einen Mehrwert für Deutschland, für Ruanda und insbesondere für die involvierten Gründungsteams und mittelständischen Unternehmen schaffen. Dabei wollen wir keine Entwicklungshilfe betreiben, sondern uns mit allen Teilnehmenden auf Augenhöhe austauschen. Das ist uns sehr wichtig.

Was bedeutet das konkret für Start-ups?

Prof. von Korflesch: Konkret bedeutet das, dass wir zukünftig Gründungsteams aus Deutschland an den gerade im Aufbau befindlichen Deutsch-Ruandischen Inkubator an der University of Rwanda vermitteln und sie damit auf ihren Markteintritt in Ruanda vorbereiten. Das gleiche machen wir mit etwa zehn Teams aus Ruanda, die wir nach Deutschland begleiten werden, um sie in Kontakt mit der hiesigen Gründungsszene zu bringen. Dabei hoffen wir natürlich, dass einige der Teams tatsächlich auch in Deutschland Fuß fassen.

Das heißt, Start-ups aus Ruanda sollen hier in Deutschland gründen? Besteht da nicht die Gefahr des Brain Drains für Ruanda?

Prof. von Korflesch: Ich weiß, die Vermutung liegt nahe. Deshalb haben wir unter anderem mit der Ruandischen Botschaft in Berlin und den relevanten Ministerien in Kigali darüber gesprochen. Aus den Gesprächen haben wir gelernt, dass das Land sehr positive Erfahrungen mit seinen Landsleuten macht, die im Ausland ein Unternehmen gegründet haben. Sei es, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer früher oder später eine Dependance in ihrem Heimatland eröffnen oder Investments in Ruanda tätigen. Die Verbundenheit der Diaspora mit Ruanda ist extrem hoch. Und sie ist sehr groß - sehr viele Menschen aus Ruanda leben im Ausland. Es gibt sogar eine eigene Organisation, das Rwanda Global Diaspora Network, das ebenfalls zu unseren Partnern gehört. Das Netzwerk veranstaltet jedes Jahr den sogenannten Ruanda-Tag, der im letzten Jahr unter Beteiligung von Präsident Paul Kagame in Deutschland stattgefunden hat. Da habe ich gespürt, wie intensiv die Bindung der Ruander zu ihrem Heimatland ist.

Wie attraktiv ist Deutschland denn für Start-ups aus Ruanda? Und wie lässt sich die Attraktivität steigern?

Prof. von Korflesch: Das Interesse ist sehr groß. Der Knackpunkt ist natürlich immer die Finanzierung. Die muss gesichert sein, anderenfalls wird kein Visum erteilt. Das ist eine Gemengelage, wo wir in der Kommunikation sehr realistisch sein werden. Was ich aber auch sagen kann, ist, dass uns die Deutsche Botschaft in Ruanda sehr unterstützt, genauso wie etwa auch das Goethe-Institut in Kigali. Natürlich ist uns klar, dass internationale Projekte immer mit sehr viel Bürokratie zu kämpfen haben. Wir sind aber dennoch davon überzeugt, dass wir das hinbekommen.

Ich glaube am wichtigsten ist es, auf Deutschland aufmerksam zu machen. Deutschland genießt in Ruanda eine sehr hohe Reputation. Aber damit geht nicht automatisch einher, dass Deutschland auch als Gründungsstandort in den Köpfen präsent ist. Insofern wollen wir dazu beitragen, Deutschland als attraktiven Gründungstandort sichtbar zu machen. Hierzu sollte man wissen, dass es in Afrika im Jahr 2030 etwa 90 Städte mit über einer Million Einwohner geben wird. Man kann also davon ausgehen, dass sich dort viele spannende Start-ups entwickeln werden, die dann nicht nur die USA oder Asien, sondern auch den europäischen Markt vor Augen haben sollten. Deutschland könnte dabei einen guten Einstieg in diesen Markt bieten und sich im internationalen Wettbewerb der Gründungsstandorte positionieren.

Wie würde im Rahmen von StArfrica der Einstieg in den deutschen Markt aussehen?

Prof. von Korflesch: Für Gründerinnen und Gründer, die aus Ruanda nach Deutschland kommen, gibt es natürlich zunächst einen lokalen Ausgangspunkt. Das ist Koblenz bzw. das Gründungsbüro an der Universität Koblenz-Landau mit seiner Vernetzung in Rheinland-Pfalz. Das Gründungsbüro ist darüber hinaus aber auch bundesweit sehr gut vernetzt, so dass wir die ruandischen Gründungsteams zu dem jeweiligen Gründungsökosystem lotsen können, das am besten für ihre Branche geeignet ist.

Und last but not least haben wir im Team auch die IQ Fachstelle Migrantenökonomie in Mainz, die eine hohe Expertise beim Thema Gründen in Deutschland von Ausländerinnen und Ausländern hat. Wir sind also gut aufgestellt.

In welchem Stadium sollten sich die Gründungsteams befinden? Sollten sie sich noch in der Businessplanphase befinden? Oder bereits in Ruanda gegründet haben?

Prof. von Korflesch: Wir haben beide Zielgruppen vor Augen. Wobei diejenigen, Teams, die noch nicht gegründet haben, besonders interessant sind. Warum? Weil sie sich für das EXIST-Gründerstipendium qualifizieren können. Die zweite Gruppe ist natürlich auch sehr interessant, weil wir für sie zum Beispiel Kontakte zu mittelständischen Unternehmen für eventuelle Joint Ventures herstellen können.

Umgekehrt möchten Sie auch deutsche Start-ups für Ruanda begeistern.
Für welche Branchen ist Ruanda ein interessanter Markt?

Prof. von Korflesch: Ruanda ist in verschiedenen Branchen gut aufgestellt. Dazu gehört der Energiebereich - erneuerbare Energien oder auch die Sicherstellung der Energieversorgung. Weitere Branchen sind die Wasserwirtschaft sowie Entsorgung und Recycling. Nicht zu vergessen das Thema Verkehr. Wie Sie wissen, hat VW eine Montagewerk in Ruanda aufgebaut, um Mobilitätskonzepte für Afrika zu entwickeln und in Ruanda zu testen. Digitalisierung spielt ohnehin als Querschnittthema eine starke Rolle. Transport, Logistik, Verpackung, Kühlketten sind ebenfalls spannende Themen. Ruanda ist ein Binnenland, so dass die Themen Transport und Logistik eine sehr große Bedeutung haben. Werkzeug- und Maschinenbau, die quer zu den Branchenthemen liegen, aber auch Qualifizierung und berufliche Bildung und hier auch die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen spielen natürlich auch eine wichtige Rolle. Das alles sind Bereiche, die durchaus auch für die deutsche Wirtschaft attraktiv sind.

Es gibt also jede Menge Chancen, aber wie wollen Sie Start-ups in Deutschland Ruanda näherbringen?

Prof. von Korflesch: Wir haben ein zweistufiges Verfahren entwickelt. Im ersten Schritt setzen wir dabei auf Quantität. Das heißt, wir möchten möglichst viele Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erreichen. Dazu werden wir versuchen, an möglichst vielen Entrepreneurship-Veranstaltungen an deutschen Hochschulen teilzunehmen, um unser Projekt StArfrica vorzustellen. Im zweiten Schritt folgt der qualitative Ansatz, bei dem wir in Frage kommende Start-ups an den Hochschulen identifizieren und sie zu speziellen Workshops einladen, die ihnen den Weg nach Ruanda und Afrika aufzeigen.

Stand: Juni 2020