Was sich in der Lehre bewährt hat, wird auch in der Gründerbetreuung praktiziert: Die enge Orientierung an der Praxis. Darauf legt man beim Startup Incubator an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin besonders viel Wert.
Innovative, kundenorientierte Geschäftsmodelle entwickeln, mit möglichst wenig Kapital bei dennoch hoher Wachstumsorientierung. Das ist kurz gefasst das Ziel des Lean Startup Konzepts, das der Startup Incubator Berlin, das Gründungszentrum an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin, verfolgt. Im Kern geht es darum, potenzielle Kunden frühzeitig einzubinden, um die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen von Anfang an eng an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten.
Intensivbetreuung für Gründer: Startup Now
Umgesetzt wird das Konzept im Rahmen des Startup-Now-Programms. Daran können Gründungsinteressierte teilnehmen, die ihr Studium beendet bzw. so gut wie abgeschlossen haben und bereit sind, ausreichend Zeit in ihre Gründungsvorbereitung zu investieren. Dazu Christian Gurol, Leiter des Gründungszentrums an der HWR: „Wir gehen davon aus, dass man mindestens 20 Stunden in der Woche mitbringen muss. Wobei wir sehr darauf achten, dass die Teilnehmer ihr Studium trotzdem ordentlich zu Ende bringen. Und wir legen sehr viel Wert auf kollegiales Verhalten, was in der Start-up-Szene nicht immer so einfach ist. Viele Gründer sind ja sehr auf ihre eigene Gründung fokussiert. Bei uns geht es stattdessen um die Community. Bei den zehn Teams, die hier vor Ort sind, sollen die älteren Teilnehmer im Sinne eines Peer-Learnings ihr Wissen weitergeben an die Jüngeren. Beispielsweise beim Jour Fixe mit allen Teams im Co-Working-Space, bei dem jedes Team auch bekannt gibt, wo es konkreten Unterstützungsbedarf hat.“ Das Programm unterstützt Gründungsteams über einen Zeitraum von zwölf Monaten bei der Entwicklung ihrer Geschäftsmodelle und Prototypen. Dazu zählen Workshops, Coaching und ein Mentoring-Programm. Bei letzterem zum Beispiel werden jedem Gründungsteam zwei Mentoren zur Seite gestellt: zunächst ein Professor aus der Hochschule, der strategisch über den Tellerrand schauen soll, dann ein Mentor aus der Wirtschaft, der die weitere Entwicklung produktseitig begleitet und dem Gründungsteam Zugang zu seinem Netzwerk ermöglicht.
Hochschulübergreifendes Teambuilding
Apropos Gründungsteam: Auch hier zeigt sich eine Besonderheit der HWR Berlin. Deren Gründer haben zwar überwiegend einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, möchten aber durchaus technologieorientierte Gründungsideen verfolgen. Oder sie interessieren sich dafür, in ein technologieorientiertes Start-up einzusteigen. Die HWR bietet ihren Gründungsinteressierten für die Suche nach technisch kompetenten Mitstreitern daher eine Online- Matching-Plattform an. Christian Gurol: „Interessenten können auf der Matching-Plattform ihr Profil einstellen. Wir Gründungsberater sind es dann aber, die die Kontaktsuchenden im persönlichen Gespräch zueinander führen.“ Das Angebot funktioniert hochschulübergreifend, insbesondere mit der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Sie steht für IT-Entwicklung, Elektromobilität, Maschinenbau und Design.
Orientierung am Markt: User-Experience-Treffen
Im Verlauf der Gründungsvorbereitungen kommen die Gründerinnen und Gründer dann sehr früh mit potenziellen Kunden in Kontakt. Dies geschieht im Rahmen der regelmäßigen User-Experience-Treffen. Neben Kommilitonen und Professoren, nehmen daran auch Pilotkunden teil. Sie werden vom Gründungszentrum der HWR eingeladen, und zwar gezielt, passend zu den Geschäftsideen, die präsentiert werden. Unter anderem wurde der Berliner Fußballverein Hertha BSC als Pilotkunde gewonnen. „Der war sehr früh an einem Gründungsteam interessiert, das ein Tool für dynamische Preissysteme entwickelt hat. Mit Unterstützung des Vereins konnte das Team sein Tool dann ausgiebig testen und optimieren, so dass daraus ein tatsächlich marktreifes Produkt wurde“, freut sich Christian Gurol.
Vom Prinzip her funktionieren die User-Experience-Treffen ähnlich wie Speed-Datings: Maximal sechs Teams sitzen jeweils an einem Tisch und stellen in mehreren Durchläufen jedem Besucher ihre Prototypen vor. Im Anschluss an das Treffen fließt das Feedback in die weitere Entwicklung der Ideen und Produkte ein, die in einer nächsten Runde erneut vorgestellt werden.
Kontaktaufnahme zu Investoren
StartUp Now gilt im Übrigen auch als Vorbereitung auf eine erste Finanzierungsrunde durch einen Investor. „Wir versuchen frühzeitig, den Kontakt zu Investoren herzustellen. Beispielsweise durch eine Art Galerie, in der sich die Teams mit ihren Ideen Investoren vorstellen“, so Christian Gurol.
Bilanz
Insgesamt betreuen die Gründungsberater der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin rund 60 Gründungsinteressierte pro Jahr. Davon erhalten zehn Teams (ca. 30 Personen) nach der abgeschlossenen Teambildung einen Arbeitsplatz im Co-Working-Space zur Weiterentwicklung des Start-ups. Eine der interdisziplinären Gründungen ist das Start-up calimoto, das eine App für Motorradfahrer anbietet. Die Geschäftsidee hatte das Beuth-Team entwickelt, das mit EXIST-Gründerstipendium gefördert wurde, der BWLer kam von der HWR.
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