Gründungsteam von Nature Robots

Das Gründungsteam der Nature Robots GmbH von li.: Lars Schilling, Gerrit Woeckner, Dr. Sebastian Pütz, Sven Lake und Malte Kleine Piening

© DFKI, Annemarie Popp

Kurzinfo:

Nature Robots GmbH
Gründungsteam: Lars Schilling, Gerrit Woeckner, Dr. Sebastian Pütz, Sven Lake und Malte Kleine Piening
Gründungsjahr: 2022
Forschungseinrichtung: Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)
Gründungsnetzwerk: Transfer & Innovation der Osnabrücker Hochschulen
EXIST-Forschungstransfer Phase I: 01.10.2021 bis 30.09.2023

www.naturerobots.de

Interview mit Lars Schilling und Dr. Sebastian Pütz, Co-Founder von Nature Robots.

Das EXIST-geförderte Start-up Nature Robots ging aus einem Forschungsprojekt am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) hervor, das sich am Standort Osnabrück mit autonomen Robotern für das Agrarwesen beschäftigt. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz und Robotik soll insbesondere die Wirtschaftlichkeit und Ökologie im Feldgemüsebau gefördert werden. Die Vision: Hightech im Einklang mit Natur und Mensch.

Herr Schilling, Sie sind am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) am Standort Osnabrück tätig. Dort hat Ihr Team mit Unterstützung von EXIST-Forschungstransfer einen Roboterprototypen für den Einsatz in der Landwirtschaft entwickelt. Welche Probleme wollen Sie damit lösen?
Schilling: Lero ist ein autonomer Monitoring-Roboter für den Einsatz im Gemüsebau. Er bestimmt den Zustand von Pflanzen, nimmt eine hochauflösende Umgebungskartierung vor und navigiert eigenständig auch durch unebenes Gelände wie Felder oder Wälder. Aufgezeichnet wird eine Vielzahl verschiedener Kamerabilder, die durch ein Software-Modul zusammengefügt werden und als Ergebnis eine Karte der Anbaufläche mit den einzelnen Pflanzen ergeben. Damit können wir wichtige Fragen beantworten: Welche Kulturpflanzen und Beikräuter wachsen auf dem Feld? Wie ist der Zustand der Nutzpflanzen? Wie können wir sie beim Wachstum unterstützen? Dabei möchten wir nicht nur den aktuellen Zustand bestimmen, sondern auch kartieren, wie sich die einzelnen Pflanzen über die Zeit entwickeln. Dadurch verstehen wir, wie sich das Wachstum über einen bestimmten Zeitraum verändert und welche Krankheiten auftreten. Mit unterstützenden Tools und Technologien können wir so künftig auch dem Fachkräftemangel an Gemüsegärtnerinnen und -gärtnern entgegenwirken, da der Roboter ein gewisses Know-how bzw. wichtige Parameter über die Pflanzen generiert und Muster in komplexen Daten entdeckt. Mit seiner Hilfe können auch Laien im Gemüsebau mit relevanten Informationen unterstützt werden. Selbst ausgebildeten Gärtnerinnen und Gärtnern fällt es oft nicht leicht, einen komplexen Anbauplan unter Beachtung des agronomischen Fachwissens und der Wirtschaftlichkeit aufzustellen.

Gemeinsam mit vier Kollegen haben Sie das Start-up „Nature Robots“ gegründet. Was hat Ihr Roboter mit Künstlicher Intelligenz zu tun?
Schilling: Das PlantMap-Projekt, in dem Nature Robots entstand, umfasst eine zeitlich wie räumlich hochaufgelöste dreidimensionale Karte einzelner Pflanzen. Einfach gesagt, lässt sich der Beitrag Künstlicher Intelligenz so beschreiben: Wenn ich über unser Testfeld am DFKI gehe, sehe ich einzelne Beete und einzelne Pflanzen wie zum Beispiel Kohl oder auch Beikräuter. Als Mensch kann ich auf Grund meiner Erfahrung einschätzen, in welchem Wachstumsstadium der Kohl ist. Ich sehe einzelne Objekte und verknüpfe Informationen mit ihnen. In meinem Gehirn werden die Daten also direkt verarbeitet und interpretiert. Der Computer „sieht“ dagegen nur Pixel. Die reinen Rohdaten der Sensorik bieten keine Aussage darüber, was eine Pflanze ist oder um welche Art von Pflanze es sich jeweils handelt. Dieser Schritt geschieht erst, wenn sich ein Mensch die Daten ansieht oder die Daten automatisch durch KI oder Algorithmen ausgewertet werden. Genau diese Datenverarbeitung samt Interpretation verfolgen wir bei Nature Robots mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Die KI wird trainiert, damit sie selbsttätig diverse Pflanzen unterscheiden lernt. Letztendlich soll der Roboter nicht nur Pflanzen auseinanderhalten, sondern autonom navigieren sowie wichtige Pflanzenparameter tracken, um mittels Künstlicher Intelligenz, Handlungsempfehlungen für die Pflanzenzucht, den Gartenbau und die Landwirtschaft abzuleiten.

In welchem Kontext ist die Idee für Nature Robots entstanden?
Dr. Pütz: Ich habe am DFKI meine Doktorarbeit zum Thema Navigation Control and Path Planning for Autonomous Mobile Robots geschrieben und hatte bereits frühzeitig mit Prof. Dr. Joachim Hertzberg, unserem fachlichen Mentor, über eine Gründung gesprochen. Er war auch mein Doktorvater und ist heute geschäftsführender Direktor des DFKI Niedersachsen und Forschungsbereichsleiter der „Planbasierten Robotersteuerung”. Im Team haben wir bemerkt, dass sich die Technologien im Bereich Robotik und der KI so weit entwickelt haben, dass sie kommerziell im Agrarbereich eingesetzt werden können. Das hat uns gereizt. In meinen Augen ist es spannender Dinge zu machen, die so vorher nicht möglich gewesen wären, als mit KI-Algorithmen Bestehendes in der Landwirtschaft zu optimieren. Wir gehen lieber neue Wege im Monitoring von Pflanzen und bei Anbausystemen. Zudem dachten wir, dass eine Gründung eine gute Möglichkeit sei, um nachhaltig und langfristig etwas in der Welt zu verändern.

Haben Sie ein Gründungsnetzwerk einer Hochschule genutzt? Wie haben Sie Ihr Gründungs-Know-how erworben?
Dr. Pütz:
Das Gründungsnetzwerk an der Hochschule Osnabrück, das uns unterstützt, heißt „Transfer und Innovationsmanagement". Der dortige Start-up-Manager, Leonard Gehrmeyer, hat uns zu Fördermöglichkeiten beraten, Gründungsidee und Geschäftsmodell mit uns durchgesprochen und uns bei der Beantragung von EXIST-Forschungstransfer geholfen. Bis Ende September 2023 sind wir in Phase I des Förderprogramms und bauen gerade den Prototypen unseres Lero-Roboters. Ab Oktober hoffen wir in Phase II von EXIST-Forschungstransfer zu kommen, um uns vor allem mit der betriebswirtschaftlichen Ausgestaltung unseres Vorhabens beschäftigen zu können. Durch die Förderung haben wir die Möglichkeit, zwei Jahre ohne Drittmittel zu agieren. Auch die Personalkosten sind im Rahmen von EXIST-Forschungstransfer abgedeckt. Die Förderung zielt darauf ab, forschungsintensive Vorhaben und den Transfer von Forschung in die Wirtschaft zu unterstützen. Dementsprechend ist auch die Unterstützung seitens des Projektträgers sehr groß. Das notwendige Gründungswissen wurde uns zum Teil durch die EXIST-Seminare nähergebracht. Einer unserer Mitgründer, Sven Lake, hat außerdem bereits mehrere Start-ups (mit-)gegründet und ist daher mit dem Prozess einer Gründung vertraut.

Wer sind Ihre Co-Founder und wie haben Sie sich zusammengefunden?
Dr. Pütz:
Mit dabei ist Sven Lake, der vor der Zeit der Gründung für die Geschäftsführung eines großen deutschen Landmaschinenherstellers gearbeitet hat. Malte Kleine Piening war in der Projektgruppe, die ich am DFKI betreut habe, und Gerrit Woeckner war ein Mitbewohner von mir, der seine Masterarbeit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt über Möglichkeiten der Pflanzenzucht auf Mond und Mars mittels Augmented und Virtual Reality geschrieben hat. Lars Schilling kannte ich durch das Field Robot Event, einen Agrarroboter-Wettbewerb. Wir hatten alle direkt den Eindruck, dass wir uns perfekt ergänzen.

Ihre Zukunftsvision ist das harmonische Zusammenwirken von Künstlicher Intelligenz und Robotik mit Mensch und Natur. Wie darf man sich das vorstellen?
Schilling:
Wir denken, dass die Bereiche Robotik und KI in der Landwirtschaft auf jeden Fall eine große Rolle spielen werden. Die Frage ist, wie wir sie nutzen. Können wir damit effizienter Mais anbauen? Bestimmt! Allerdings können diese Technologien auch eingesetzt werden, um die Landwirtschaft nachhaltig zu verändern und diversere sowie langjährige Anbausysteme zu unterstützen, wie beispielsweise Agroforst, eine uralte Nutzungsform. Agroforst ist ein in Vergessenheit geratenes System, in dem Bäume und andere mehrjährige Pflanzen auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche integriert werden. So soll dem Anbau von Monokulturen entgegengewirkt werden und als Landnutzungsform Gehölz in Kombination mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen entstehen. Unser Roboter kann diese verschiedenen Terrains befahren.

Mit welchen Herausforderungen haben Sie im Rahmen Ihrer Gründung zu tun?
Schilling:
Ich denke, eine der größten Hürden für uns ist, den richtigen Product-Market-Fit zu finden. Das Produkt muss zum Markt passen. Wir haben zum Beispiel anfangs den Roboter für kleinteilige Gemüsebaubetriebe entwickelt. Dazu gehören sogenannte Marketgardens. Dabei handelt es sich um einen ressourcenschonenden Gemüseanbau auf kleiner Fläche. Das Gemüse wird direkt ohne Zwischenhandel an die Konsumentinnen und Konsumenten verkauft. Die Idee finden wir super. Wir mussten uns aber eingestehen, dass es für unsere komplexe Technologie nicht unser erster Markt sein wird. Das hat sich im Prozess gezeigt. Es hilft auf jeden Fall, mit potenziellen Kundinnen und Kunden zu sprechen und zu prüfen, was ihnen wichtig ist und wie viel sie bereit wären, für das Produkt zu zahlen. Ich denke, dass wir jetzt auf einem guten Weg sind. Wir möchten unseren Markt breiter fassen und uns zunächst auf Feldgemüse konzentrieren. Gleichzeitig wollen wir mit Saatgutherstellern zusammenarbeiten, da gerade für diese Kundengruppe unsere Technologie sehr interessant ist. Auch die weitere Finanzierung des Unternehmens ist bei einem derart forschungsintensiven Vorhaben ein wichtiges Thema. Aufgrund der Komplexität unserer Technologie brauchen wir eine gewisse Zeit, um am Markt Fuß zu fassen. Sowohl die Hardware als auch die Software muss auf einen robusten Stand gebracht werden. Gleichzeitig müssen wir Daten aufnehmen und sind dabei natürlich auch an den Anbauzyklus der Gemüsepflanzen gebunden.

Wie sehen die weiteren Schritte aus?
Schilling:
Ende September 2023 wird es für uns ernst. Dann endet die erste Phase von EXIST-Forschungstransfer und ab dann sind wir größtenteils auf uns allein gestellt, sollten wir nicht die Förderphase II erreichen. Aktuell bereiten wir den Antrag dafür vor. Außerdem befinden wir uns in Gesprächen mit mehreren Pilotkundinnen und -kunden für unsere Technologie, damit wir auch an anderen Standorten und unter anderen Bodengegebenheiten sowie anderen Bedingungen testen können. Im Sommer möchten wir einen weiteren Roboter-Prototypen bauen. Er soll für einen längeren Zeitraum autonom agieren, allein zur Basisstation zurückfahren und sich wieder aufladen. Also im Prinzip wie bei einem Rasenmäher-Roboter. Momentan schafft Lero einen Arbeitstag. Bis zum Sommer soll er eine Woche erreichen.

Welche Tipps würden Sie Gründungsinteressierten mit auf den Weg geben?
Schilling:
Die Mitgründerinnen und -gründer sind extrem wichtig. Zum einen sollte das Gründungsteam ein möglichst breites Spektrum abdecken. Sowohl technologisch als auch unternehmerisch, um allen Aufgaben gerecht zu werden. Zum anderen muss es auch auf persönlicher Ebene passen, denn mit der Gründung geht auch eine gewisse Bindung einher. Wir scherzen oft darüber, dass wir mit der Gründung geheiratet hätten. Start-ups können sehr dynamisch sein. Besonders bei forschungsintensiven Start-ups kann es sein, dass sich im Laufe des Projekts die Kundengruppe oder das komplette Geschäftsmodell ändert. Deshalb ist es sinnvoll, eine Mission oder einen Leitsatz zu definieren, auf den man zurückgreifen kann, wenn es zu Veränderungen kommt. Unser Hauptleitsatz und unsere Motivation ist es, eine nachhaltige Landwirtschaft zu unterstützen.

Stand: April 2023