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Gründungsteam: Dr. Sascha Bach, Marcus Stein, Ronald Claus von Nordheim, Michaela Wachtel
Gründungsjahr: 2016
Hochschule: TU Dresden und Fraunhofer Gesellschaft EXIST-Forschungstransfer: 01.09.2015 bis 01.04.2018
Die watttron GmbH hat mit cera2heat ® und cera2seal ® zwei innovative Heiztechnologien entwickelt, die in Thermoform- und Siegelprozessen zum Einsatz kommen. Treibende Kraft hinter der Entwicklung ihrer Produkte ist der Wunsch, die Verpackungsindustrie sowohl effizienter als auch energie- und ressourcensparender zu gestalten. Wie ihre Unternehmensidee entstand und was die EXIST-Förderung bewirkt hat, darüber spricht Marcus Stein, Co-Gründer und Kaufmännischer Geschäftsführer bei der watttron GmbH, im Interview.
Herr Stein, wie ist die Unternehmensidee der watttron GmbH entstanden?
An der Professur für Verarbeitungsmaschinen und Verarbeitungstechnik der TU Dresden werden über Maschinen und Prozesse zur Herstellung von Konsumgütern unter der Leitung von Prof. Dr. Jens-Peter Majschak geforscht und gelehrt. Einer der Mitgründer Dr. Sascha Bach hat seine wissenschaftliche Karriere an jener Professur begonnen und ist dadurch in Berührung mit den Verpackungsprozessen gekommen und forschte an Wegen, Verpackungen effizienter herstellen zu können.
Wie sieht Ihr Produkt konkret aus?
Unsere beiden Heizsysteme cera2heat ® und cera2seal ® sind als modulare Heizsysteme konzipiert. Ein Modul hat die Größe von 4 x 4 cm. Wie bei einem Legobaukasten kann dadurch die vom Kunden gewünschte Größe der Heizfläche durch das Aneinanderstecken mehrerer Module realisiert werden. Der Clou an den Heizsystemen ist, dass sie nicht nur in neue Verpackungsmaschinen eingebaut werden können - es können auch bestehende Maschinen nachgerüstet werden. Dies ist eine insbesondere in der Verpackungsindustrie sehr gängige Praxis. Der Kunde muss somit nicht eine komplett neue Maschine kaufen, um von den Vorteilen unserer Technologien zu profitieren.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Ihr Geschäftsmodell?
Nachhaltigkeit ist der treibende Faktor hinter unseren Technologien. Aktuell werden lediglich neun Prozent des Kunststoffes weltweit recycelt. Wir wollen das ändern. Jährlich werden über 3,4 Millionen Tonnen Kunststofffolie in der EU verbraucht. Aufgrund der globalen Ressourcenverknappung besteht dringende Notwendigkeit, diesen Wert zu reduzieren. Dafür wurden unsere Technologien entwickelt – um Material und auch Energie einzusparen. Sollte zum Beispiel in allen Thermoformmaschinen in Europa unser Heizsystem cera2heat ® einmal Anwendung finden, könnten jährlich etwa 340.000 Tonnen Kunststoffmaterial gespart werden.
Ihre heutigen Kunden sind renommierte Unternehmen, teilweise Weltmarktführer. Wie hat sich das entwickelt?
Wir hatten bereits im Vorfeld der Gründung Kontakte zu den Forschungs- und Entwicklungszentren der großen Lebensmittel- und Konsumgüterproduzenten. Diese waren sich - anders als die Maschinenbauer - bereits frühzeitig darüber im Klaren, dass die neuen Anforderungen der Gesellschaft an die Verpackungsindustrie neuer Technologien bedarf. Mit den Anwendern konnten wir in Pilotanwendungen den Nutzen nachweisen und haben Referenzen aufbauen können. Damit sind wir nach wie vor dabei, den großen Umschwung auf nachhaltige Verpackung anzustoßen.
Haben Sie beim Zugehen auf B2B-Kunden eine bestimmte Strategie verfolgt?
Leider ist die Branche der Verpackungsmaschinen sehr konservativ. Aufgrund der Globalisierung und dem damit einhergehenden Bedarf an Verpackungsmaschinen besteht bei unseren direkten Kunden, den Maschinenbauern, kein Innovationsdruck. Wir müssen daher den Bedarf selbst schaffen und dies gelingt durch die Zusammenarbeit mit den Kunden der Kunden, in unserem Fall den Konsumgüterproduzenten. Durch die Nachrüstung von Bestandsmaschinen können wir den Nutzen und den Vorteil für die Produzenten nachweisen und damit den Druck auf unsere direkten Kunden erhöhen, mit uns eine Zusammenarbeit einzugehen.
Was haben Sie für Erfahrungen beziehungsweise Herausforderungen im B2B Bereich erlebt, die Sie mit der Gründungscommunity teilen wollen?
Bei B2B ist es wichtig, denjenigen in der Wertschöpfungskette zu identifizieren, der den größten Vorteil aus dem angebotenen Produkt zieht. Da dies, wie in unserem Fall, nicht unbedingt der direkte Kunde ist, braucht es eine Strategie, wie es gelingt diesen zu erreichen und zu überzeugen, um einen Zugeffekt auf den direkten Kunden zu erzeugen. Push-Pull-Marketing ist hier das Stichwort.
Wie sind Sie beim Gründungsprozess vorgegangen – waren die operativen Rollen von vornherein klar?
In den Grundzügen war die Aufgabenteilung aufgrund der unterschiedlichen Interessenslagen und fachlichen Kompetenzen vorgegeben. Drei Gründer haben Maschinenbau studiert, wobei Dr. Sascha Bach im Maschinenwesen promoviert wurde. Die Gründerin Michaela Wachtel hat ihren akademischen Abschluss im Fach Volkswirtschaften erlangt. Das bedeutet aber nicht, dass sich unsere Aufgaben und Zuständigkeiten nicht auch überschnitten haben. Mit der Zeit galt es sie aufzuteilen beziehungsweise später auch an Führungskräfte zu übergeben. Das war ein Lernprozess.
Sie wurden von EXIST gefördert. Inwiefern hat Ihnen das beim Aufbau des Unternehmens geholfen?
Die EXIST-Förderung war der Grundstein, unsere Technologien zu marktfähigen Produkten weiterzuentwickeln, ein erstes Geschäftsmodell aufzustellen und einen umfassenden Businessplan zu erarbeiten. Ein wesentlicher Beitrag war sicherlich auch die frühzeitige Einbindung der Hochschul- und Institutsleitung zur Klärung der patentrechtlichen Fragestellungen.
Vom Markenzeichen EXIST gefördert zu werden, half uns außerdem bei der Kontaktanbahnung zu Kunden und potentiellen Geldgebern. Für uns als Hardware-Start-up war das sehr wertvoll. Wir bewegen uns mit unserem Produkt in einem konservativen Marktumfeld. Da fallen viele Geldgeber als Unterstützung weg.
Zuguterletzt sei auch der Austausch auf den Gründerforen zu erwähnen. Die Treffen bildeten ein nicht zu unterschätzendes Plus für uns.
Wie hat sich Ihr Unternehmen seit dem Start entwickelt, wie viele Mitarbeiter haben Sie inzwischen?
Bei watttron arbeiten mittlerweile mehr als 70 watttronjanerinnen und watttronjaner. Neben den Standort in Freital sind Kollegen in Niederlande, Italien und den USA tätig. Wir erhielten frühzeitig Nachfrage aus der EU und USA, die Internationalisierung lief etwas schneller als zunächst geplant. Eine der ersten Dienstreisen führte uns nach Cincinnati. Die Gründung der ersten Auslandstochtergesellschaft watttron Inc. mit Sitz in Chicago Anfang diesen Jahres zeigt die Bedeutung der stets internationalen Ausrichtung von watttron.
Was würden Sie anderen Gründerinnen und Gründern raten?
Für Gründerinnen und Gründer mit vorwiegend ingenieurtechnischem Hintergrund: den Wert und den Aufwand zum Organisationsaufbau und der Erarbeitung eines Netzwerkes nicht zu unterschätzen. Ansonsten ist es wichtig, Selbstständigkeit und Eigeninitiative mitzubringen.
Wirtschaftet Ihr Unternehmen mittlerweile profitabel?
Aufgrund der Pandemie verzögert sich unser ursprünglicher Plan. Wir standen zunächst vor großen organisatorischen Herausforderungen, um die Produktion und die Kundentests auch unter den neuen Bedingungen aufrecht zu erhalten. Aktuell beeinflussen uns die Lieferengpässe bei Elektronikbauteilen und anderen Zulieferteilen. Das führt zu verzögerten Auslieferungen und Kostensteigerungen. Wir rechnen nun damit, ab 2024 profitabel wirtschaften zu können.