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„Vor allem am Anfang sind Feedback und Kontakt zu Personen, die sich für das Thema begeistern oder geschäftlich damit auseinandersetzen, enorm wichtig.“
Kurzinfo:
innosabi GmbH
Gründungsteam: Catharina van Delden, Jan Fischer, Hans-Peter Heid, Moritz Wurfbaum (nicht EXIST gefördert)
Gründungsjahr: 2010
Hochschule: TU München
Gründungsnetzwerk: UnternehmerTUM
EXIST-Gründungsstipendium von 01.02.2010 bis 30.01.2011
Interview mit Catharina van Delden, Co-Founderin von innosabi
Die innosabi GmbH aus München entwickelt Software für offene Kollaborationen. Ziel ist damit agile Innovationsprozesse zu kreieren, indem beispielsweise Nutzerinnen und Nutzer sowie externe Expertinnen und Experten in die Produktentwicklung integriert werden. Gegründet 2010, hielten die vier Gründenden über zehn Jahre nahezu 100 Prozent der Firmenanteile.
Beschreiben Sie bitte einmal, was macht Ihr Unternehmen?
innosabi entwickelt Software-Tools, mit denen Unternehmen schneller, effizienter und erfolgreicher Innovationen entwickeln können. Unsere Software hilft unter anderem dabei, relevante Trends und Marktentwicklungen frühzeitig zu erkennen, Feedback und Verbesserungsvorschläge mit Kunden zu diskutieren, Prototypen zu testen und neue Ideen gemeinsam mit den Mitarbeitern zu generieren.
Wie sind Sie auf die Unternehmensidee gekommen? Wie hat es angefangen?
Die ursprüngliche Unternehmens- und Produktidee aus der Anfangszeit war natürlich bei Weitem nicht so umfangreich. Damals fokussierten wir uns voll und ganz auf den Bereich „Produktentwicklung mit Kunden“ mit der Frage „Wie verändern sich Innovationsprozesse in Zeiten der digitalen Transformation“ im Kern. In der Zeit der Unternehmensgründung begann das Thema „Crowdsourcing“ Wellen zu schlagen, die Auslagerung von Tätigkeiten an eine Crowd außerhalb des Unternehmens über das Unternehmen. Dabei ging es meist ausschließlich um Kosteneinsparungen und eine erweiterte On-demand-Workforce. Was uns vier Gründer aber faszinierte, waren die ersten Aktionen von Unternehmen, die ihre Kunden zur Crowd gemacht haben und wirklich Ideen zu neuen Produkten „gecrowdsourced“ haben. Zum Beispiel hat eine kleine australische Brauerei gemeinsam mit ihren Kunden neue Rezepturen entwickelt, ausprobiert und auf den Markt gebracht. Das ist eine komplett andere Herangehensweise als traditionelle Produktentwicklung, bei der viel im Geheimen passiert. Da solche Aktionen aber recht unstrukturiert über die jeweiligen Webseiten oder improvisiert auf Facebook abgewickelt wurden, dachten wir uns, „Warum gibt es eigentlich keine eigene Software dafür, mit der jedes Unternehmen schnell und unkompliziert solche Projekte durchführen kann?“ Das war der anfängliche Auslöser und genau so eine Software haben wir entwickelt. Zunächst bauten wir eine eigene Online-Plattform auf und führten darauf Innovationsprojekte für unsere Kunden durch. Nach der Anfangsphase merkten wir aber schnell, dass wir deutlich mehr Kunden und langfristige Aufträge gewinnen und auch unseren Kunden mehr Mehrwert bieten können, wenn wir die Software als Software-as-a-Service (SaaS) anbieten.
Welche Produkte bieten Sie an und wie helfen diese Unternehmen?
Wir merkten schnell, dass diese Art von Kollaboration zwischen Unternehmen und deren Kunden ebenso auch innerhalb des Unternehmens mit den eigenen Mitarbeitenden funktionieren kann. Und wenn wir schon dabei sind, warum nicht direkt mit Zulieferern, externen Expertinnen und Experten oder Start-ups? So wurde aus unserem ersten Software-Produkt nach und nach eine ganze Software-Suite. Heute bieten wir sechs verschiedene Lösungen an, die jeweils an verschiedenen Punkten entlang des Innovationsprozesses ansetzen und unterschiedliche Zielgruppen oder Informationen in den Innovationsprozess einbinden.
Anfang 2021 wurde innosabi zudem Teil eines großen französischen Softwarekonzerns namens Questel. Dieser hat sich auf Intellectual Property (IP) und Legal-Tech-Software spezialisiert und ist mit innosabi nun auch im Innovationsmanagement präsent. In Kombination mit den Tools und Daten von Questel – Millionen von Patenten, Unternehmensprofilen, wissenschaftliche Veröffentlichungen und anderen – machten wir noch einmal einen großen Sprung, was unser Angebot und die Anwendungsgebiete angeht. Neben dem Einbinden und Zusammenarbeiten mit bestimmten Stakeholder-Gruppen setzen wir noch stärker auf automatisierte, datengestützte Funktionen. Das kann zum Beispiel das frühe Erkennen von Trends im Markt, die Suche nach potenziell relevanten Start-ups oder das Beobachten der Wettbewerbenden und ihrer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sein.
Wie verhält es sich mit dem Thema Internationalisierung: Haben Sie die von Beginn an mitgedacht?
Wir vertreiben unsere Software weltweit und wollen auch global weiterwachsen. Vor allem der Anteil an Kunden aus den USA ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das war am Anfang natürlich nicht so. Wir haben uns zwar nie auf den deutschen Markt beschränkt, aber als kleines Team mit viel direktem Kundenkontakt und begrenzten Ressourcen konzentrierten wir uns logischerweise auf den Markt „direkt vor der Haustüre“. Das internationale Wachstum kam dann über die Zeit organisch dazu. Je standardisierter unsere Software und Prozesse wurde, desto einfacher wurde es, ausländische Kunden zu gewinnen und zu betreuen. Um in Nordamerika präsenter zu werden, bauten wir vor einigen Jahren eine Vertriebspartnerschaft mit einem dortigen Beratungsunternehmen auf. Das hat uns sehr viele Türen geöffnet und sehr viel schneller Ergebnisse gebracht statt ein eigenes Büro und Team vor Ort aufzubauen. Den gleichen Effekt sehen wir jetzt, seitdem wir Teil der Questel-Gruppe sind. Ein solches weltweites Vertriebs- und Supportnetzwerk mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in über 30 Ländern, die den Markt und die Kunden vor Ort genau kennen, hätten wir nur sehr schwer aufbauen können.
Welchen studentischen Hintergrund haben die Gründenden?
Wir vier Gründende haben alle an der TU München studiert, jedoch jeweils unterschiedliche Studiengänge. Ich selbst habe eine Kombination aus Wirtschaft und Lebensmitteltechnologie studiert und dann anschließend noch einen MBA mit Fokus auf Innovation gemacht. Unter meinen Mitgründern gibt es noch einen Maschinenbauer, einen Informatiker und einen BWLer.
Sie wurden durch das EXIST-Gründungsstipendium gefördert. Inwiefern hat Ihnen das beim Aufbau des Unternehmens geholfen?
Der finanzielle Puffer durch das Stipendium war eine enorme Hilfe, vor allem, wenn man direkt aus dem Studium heraus gründet und dadurch erst wenig oder nichts ansparen konnte. Mit der Unterstützung konnte ich mich voll und ganz auf das Gründen fokussieren und auch die eine oder andere Durstrecke überbrücken. Gerade im B2B-Bereich dauert der Gewinn neuer Kunden oftmals sehr lange oder verschiebt sich unerwartet um einige Monate nach hinten. Das kann aufgrund von internen Freigaben, Budgets oder Personalwechsel sein. Da laufende Kosten trotzdem anfallen, war es eine große Erleichterung, mit dem EXIST-Stipendium rechnen zu können. Neben den finanziellen Aspekten hat uns das EXIST-Gründungsstipendium auch einen riesigen Motivationsschub gegeben. Wenn man für das Stipendium ausgewählt wird, den genauen Businessplan erstellt, dazu Feedback bekommt und von Experten gecoacht wird, hat man die Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Vor allem in der Gründungsphase mit wenig direktem Kundenfeedback ist das enorm wertvoll. Man geht direkt optimistischer und mit mehr Selbstvertrauen in Richtung Markteinführung.
Seit wann sind Sie profitabel?
Wir waren in der glücklichen Lage, dass wir fast von Beginn an profitabel waren. Und das natürlich, nur weil wir entsprechend sparsam waren. Alles, was wir eingenommen haben, haben wir direkt wieder in das Unternehmen investiert.
Wie hat sich die Investorensuche damals gestaltet? Und wieviel Prozent halten die Gründenden heute noch?
Wir sind fast die gesamte Unternehmensgeschichte hinweg organisch aus eigener Kraft gewachsen, durch sogenanntes „Bootstrapping“. Wir vier Gründer haben die meiste Zeit nahezu 100 Prozent der Firmenanteile gehalten. Eine große Investorensuche gab es in der Anfangszeit nicht. Wir haben uns aber einen Beirat aus Personen aufgebaut, die Experten in den Bereichen Innovation, SaaS oder Unternehmenswachstum sind. Manche unserer Beiräte haben auch im kleineren Umfang investiert, jedoch eher, um noch mehr Teil von innosabi zu sein und nicht aus rein finanzieller Motivation. Die erste große, „richtige“ Investitionsrunde war 2021 mit der Akquise durch Questel, bei der wir einen Mehrheitsanteil des Unternehmens verkauft haben.
War es leicht, nach EXIST weitere Unterstützung als Start-up zu bekommen?
Wir haben es geschafft, sehr früh namhafte Kunden zu gewinnen und so aus eigener Kraft weiter wachsen zu können. Daher war die aktive Suche nach weiterer Unterstützung oder Förderung glücklicherweise kein großes Thema. Wir sind aber direkt im Anschluss an das EXIST-Gründungsstipendium in das „FLUEGGE“-Förderprogramm aufgenommen worden. Das war auch eine große Hilfe, vor allem was das Netzwerk betraf.
Welches waren die größten Herausforderungen bei der Gründung?
Während der Gründung gibt es so viele verschiedene Herausforderungen. Dadurch, dass wir stets ohne externe Finanzierung aus eigener Kraft gewachsen sind, waren eine gewisse Unsicherheit und knappe Ressourcen vermutlich größere Themen als in manch anderen Start-ups. Als B2B-Unternehmen war sicher auch der Aspekt der Glaubwürdigkeit eine Herausforderung. Wir sind ja, etwas überspitzt formuliert, direkt aus der Uni zu den größten Unternehmen in Deutschland gefahren und haben unser Produkt und unsere Dienstleistungen gepitcht. Daher hatte es immer Priorität, einen einwandfreien Track-Record mit namhaften Kunden aufzubauen. Sobald wir das hatten, sind die Kunden von selbst auf uns zu gekommen. Aber auf dem Weg dahin wurden wir nicht immer ernst genommen oder mussten extra Überzeugungsarbeit leisten, um größere Aufträge zu bekommen.
Waren die operativen Rollen unter den Gründenden von vornherein klar? Wie hat sich das entwickelt?
Das hat sich sehr schnell von selbst gefunden. Auch wenn in der Angangszeit jeder von uns ein Stück weit „alles“ gemacht hat, haben sich viele Aufgaben allein schon durch unsere unterschiedlichen Hintergründe und Interessen von selbst verteilt. So konnten wir unsere Idee auch zu einem sehr konkreten Geschäftsmodell und Businessplan ausbauen. Hans als Informatiker hat die technische Entwicklung übernommen, Moritz mit seinem BWL-Hintergrund das Finanzielle und Jan und ich, die gerne Netzwerken und unsere Idee mit anderen Menschen teilen, haben Marketing und Vertrieb in die Hand genommen. Da das wunderbar funktioniert hat, haben wir über die Jahre hinweg immer sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir alle wichtigen Entscheidungen zu viert treffen und alle Bereiche „mit am Tisch sitzen“. Selbst wenn ich nach außen hin das Unternehmen als CEO vertreten habe, war es immer eine Team-führungsaufgabe.
Wie hat sich Ihr Unternehmen seit dem Start entwickelt, wie viele Mitarbeitende haben Sie inzwischen?
Angefangen mit uns vier Gründenden sind wir nun um die 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei innosabi. Questel hat um die 1.500 Mitarbeitende gesamt. Wir haben viele Synergien, so können wir auf Ressourcen und Vertriebskanäle zurückgreifen. Über die Jahre seit der Gründung haben uns viele tolle Teammitglieder begleitet. Ich bin stolz, dass wir eine Organisation geschaffen haben, in der Menschen sich entwickeln können, lernen können und jeder und jede einzelne durch ihre Individualität die Firma weiterentwickelt. Den Weg der Gründung mit so beeindruckenden Persönlichkeiten gemeinsam gehen zu können, das war und ist für mich etwas ganz Besonderes.
Was würden Sie anderen Gründenden raten?
Auch wenn es wahrscheinlich eine Klischee-Antwort ist: Vernetzen und Anderen von der Idee oder dem Produkt erzählen! Vor allem am Anfang sind Feedback und Kontakt zu Personen, die sich für das Thema begeistern oder geschäftlich damit auseinandersetzen, enorm wichtig. Wenn man nicht aktiv von der eigenen Gründung erzählt, kommt man nur schwer daran. Dazu gehört auch der Fokus auf den Vertrieb. Der hilft, um die Finanzierung durch Umsätze zu sichern, Marktbedürfnisse zu erkennen, die eigene Idee zu beweisen und die Positionierung zu schärfen. Zu guter Letzt, auch wenn es sich langweilig anhört: Führt unbedingt sehr früh ein gutes CRM- und ERP-System ein, das mit euch mitwachsen kann!
Können Sie sich vorstellen, noch einmal ein Unternehmen zu gründen, und was würden Sie anders machen?
Gründer oder Gründerin sein ist kein „normaler“ Job, sondern fühlt sich eher an wie eine Berufung. Wenn man es einmal gemacht hat, fällt es schwer, sich einen anderen Weg vorzustellen. Die Erfahrung aus der Gründung und dem Wachstum von innosabi ist natürlich unbezahlbar und kann dabei helfen, den ein oder anderen Fehler zu vermeiden. Noch wichtiger ist für mich, wie ich mich in dieser Zeit persönlich entwickelt habe. Als Gründerin will man oft alles selbst anpacken, immer über alles Bescheid wissen und überall aktiv involviert sein. Man kommt sehr schnell in einen Modus der „konstanten Überlastung“, der zur Normalität wird. Und das oftmals, ohne dass man es selbst direkt merkt! Darauf genauer zu achten, auch mal Nein zu sagen, meine eigene Energie zu managen und Verantwortung abzugeben, musste ich über die Jahre erst lernen.
Inwiefern hat die Pandemie Ihr Unternehmen beeinflusst?
Bei innosabi hat sich, wie bei vielen anderen Unternehmen, einiges in unserer täglichen Arbeitsroutine geändert. Wir waren alle konsequent im Home-Office. Das waren wir vor der Pandemie auch, aber nicht in dem Umfang. Nach ein wenig Eingewöhnungszeit hat das wunderbar funktioniert und einige positive Effekte mit sich gebracht, die bis heute anhalten. Ich habe das Gefühl, dass wir die Anzahl an Meetings deutlich reduziert haben und dass wir an vielen Stellen schlanker und zielführender arbeiten. Mittlerweile ist das Büro wieder offen, aber es gibt weiterhin einige, die die Möglichkeit zum Home-Office umfangreich nutzen. Das werden wir auch so beibehalten. Die Pandemie hat gezeigt, dass Anwesenheit im Büro „zum Arbeiten“ in vielen Bereichen einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Warum sollten wir also wieder einen Schritt zurück? Unser Büro ist noch mehr als vorher zu einem sozialen Ort geworden und weniger ein Ort, an dem der Schreibtisch steht. Unser toller Garten und die wunderschöne Architektur helfen dabei.
Für unsere Kunden hat sich auch viel geändert. Gerade wenn es darum geht, Mitarbeitende in Innovationsprojekte einzubinden, Innovation in der Unternehmenskultur erlebbar zu machen oder den Austausch von Ideen zu fördern, sind Home-Office und das Wegfallen eines informellen Austauschs an der Kaffeemaschine eine Herausforderung. Daher hat die Pandemie einigen Unternehmen vor Augen geführt, wo der Mehrwert von Lösungen wie unseren liegt.