Watttron GmbH

© Inventied GmbH

Kurzinfo:


Inventied GmbH

Gründungsteam: Lukas Kalnik, Jan Schellhaaß, Markus Weidmann und Trang Lam (nicht EXIST gefördert)
Gründungsjahr: 2021
Hochschule: Hochschule Kaiserslautern
Gründungsnetzwerk: Gründungsbüro Technische Universität und Hochschule Kaiserslautern
EXIST-Gründungsstipendium: Dezember 2021 bis Januar 2022 (zwei Monate Verlängerung; unter anderem wegen des Zeitverlusts durch den Einsatz im Ahrtal).

www.inventied.de

Interview mit Lukas Kalnik, Co-Founder von Inventied

Über ein Ehrenamt beim Technischen Hilfswerk (THW) kamen drei Studenten der Hochschule Kaiserslautern auf die Idee, ihr Hobby zum Geschäft zu machen und entwickelten ein modulares Gestell für Rettungsmaterialien auf Lkw-Anhängern, mit dem sich enorm viel Zeit sparen lässt. Mit ihrer Geschäftsidee schufen die drei Wirtschaftsingenieure Lukas Kalnik, Trang Lam und Jan Schnellhaaß sowie der Maschinenbauingenieur Markus Weidmann ein Produkt, das es auf dem Markt bislang nicht gab. Mithilfe von EXIST-Gründungsstipendium gründeten sie eine UG, die inzwischen zur GmbH umfirmiert hat, und wollen jetzt voll durchstarten. Ihre freiwillige Arbeit beim THW wollen sie jedoch nicht an den Nagel hängen.

Herr Kalnik, Sie entwickeln Lösungen, um Problemen im Katastrophen- und Zivilschutz gezielt entgegenzuwirken und Arbeitsschritte effizienter zu gestalten. Was genau ist das Ziel?

Kalnik: Leben zu retten. Unser erstes Produkt ist ein modulares Gestell für Lkw-Anhänger, mit dem alle notwendigen Einsatzmaterialien des THW für Rettungsaufgaben ergonomisch, sicher und permanent verladen werden können. Die Einsatzkräfte können im Katastrophenfall ohne mühsame und zeitaufwendige Einsatzvorbereitung ausrücken, wodurch sie ausgeruht und schnell zum Einsatzort gelangen, um Menschen in Not zu helfen.

Wie sind Sie auf die Unternehmensidee gekommen? Wie hat das angefangen?

Kalnik: Unsere Idee kommt aus der Praxis im Katastrophenschutz. Derzeitige Praxis beispielsweise beim THW ist es, die Einsatzmaterialien für Bergungsaufgaben zwischen den Einsätzen lose und unsortiert auf Stapelpaletten zu lagern. Wenn es zum Einsatz kommt, muss die Katastrophenstelle zunächst begutachtet werden, um die benötigten Einsatzmaterialien zu identifizieren. Erst dann können die Einsatzkräfte mit der aufwendigen Beladung des Lkw-Anhängers beginnen. Denn die schlechte Raumausnutzung führt dazu, dass nicht alle verfügbaren Einsatzmaterialien dauerhaft auf die Anhänger verladen werden können. Am Einsatzort angekommen steht den Einsatzkräften in der Regel kein Gabelstapler zur Verfügung und die unstrukturiert verladenen Einsatzmaterialien müssen mühsam per Hand entladen werden. Durch diesen Arbeitsschritt geht vor Ort wertvolle Zeit verloren. Der dadurch entstehende Zeitdruck und die schlechte Ergonomie führen sowohl zu einer physischen als auch zu einer psychischen Belastung der Einsatzkräfte. Gleichzeitig wächst die Gefahr für Menschenleben und Existenzen während der gesamten Ausrückzeit immer weiter an.

Was waren Ihre Schlussfolgerungen daraus?

Kalnik: In einem Forschungsprojekt an der Hochschule haben wir einen Prototyp für einen Ladungsträger entwickelt, der in Lkw-Anhänger verbaut werden kann. Damit können notwendige Einsatzmaterialien im THW für Rettungs- und Bergungsaufgaben permanent und ergonomisch verladen werden. So kann im Katastrophenfall sofort ausgerückt werden. Da es für diesen Anwendungsbereich noch keine andere Lösung gibt, ist unser Produkt derzeit einzigartig.

Und wird der Prototyp schon eingesetzt?

Kalnik: Der Prototyp wurde bereits 60-mal erfolgreich im Einsatz genutzt und wird zukünftig in weiteren Katastrophenlagen unterstützen. Dabei dachten wir noch, dass wir ein lokales Problem für den Ortsverband in Frankenthal gelöst haben. Alles begann mit einem Facebook-Post, in welchem wir die Geschichte in die Community getragen haben. Dieser Post ging sehr schnell viral, woraufhin sich verschiedene Medienvertreter und Interessenten meldeten. Nach dieser Rückmeldung haben wir uns intensiver mit einer Gründung auseinandergesetzt, uns mithilfe des Gründungsbüros TU & HS Kaiserslautern um EXIST-Gründungsstipendium beworben und wurden ausgewählt.

Sie arbeiten alle nebenher noch beim THW: Wie schaffen Sie es, die beiden Aufgaben zu koordinieren?

Kalnik: Unser Ehrenamt sehen wir nicht als Arbeit an. Es ist vielmehr ein Hobby, bei dem wir gleichzeitig unseren Mitmenschen in Notlagen helfen. Klar gibt es manchmal Phasen, bei denen unser Ehrenamt viel Zeit beansprucht, wie es beispielsweise bei der Flutkatastrophe im Ahrtal der Fall war. In so einem Fall setzen wir Prioritäten und Aufgaben mit geringen Prioritäten bleiben in dieser Zeit unbearbeitet. Da unsere Produkte unter anderem Probleme aus dem THW lösen, bringt unsere dortige Arbeit den Vorteil, dass wir Entwickler und Anwender in einer Person sind. So können wir unsere Produkte bestmöglich optimieren – zusammen mit dem Feedback von weiteren Einsatzkräften.

Planen Sie, Ihr Produkt auch ins Ausland zu verkaufen?

Kalnik: Das können wir uns sehr gut vorstellen! Überall, wo es Katastrophen gibt, werden auch Lösungen dafür benötigt. Diese können wir bieten. Allerdings müssen wir im Ausland noch die genauen Strukturen des Katastrophenschutzes evaluieren und ein entsprechendes Netzwerk aufbauen, um unsere Produkte dort anzubieten. In der Zwischenzeit bauen wir unsere Reputation durch den Verkauf auf dem deutschen Markt weiter auf.

Sie wurden von EXIST gefördert. Inwiefern hat Ihnen das beim Aufbau des Unternehmens geholfen?

Kalnik: EXIST-Gründungsstipendium hat eine Gründung überhaupt erst möglich gemacht, da die Kosten für unser Produkt und die nötige Messtechnik zur Durchführung von sicherheitsrelevanten Tests mit hohen Kosten verbunden sind. Dies wäre uns mit privaten Mitteln nicht möglich gewesen. Zudem profitieren wir neben der finanziellen Unterstützung noch heute von einem großen und hilfsbereiten Netzwerk mit Experten aus allen Branchen. Zudem konnten wir regelmäßig an wertvollen Workshops teilnehmen, um unsere Kompetenzen und unser Wissen weiter auszubauen. Des Weiteren wurden wir auf Wettbewerbe aufmerksam gemacht, die uns dabei geholfen haben, immer besser zu pitchen. Dabei haben wir auch den ein oder anderen Preis gewonnen.

Wer sind ihre potenziellen Kunden?

Kalnik: Die lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Das sind die staatlichen Organisationen und die privaten bzw. gemeinnützigen Organisationen. Die staatlichen Organisationen werden durch Steuergelder finanziert und haben meist wenige Entscheider. Allerdings sind die Ausschreibungen komplex. Dadurch entstehen langwierige Prozesse. Private und gemeinnützige Organisationen finanzieren sich über Spenden, wirtschaftliche Handlungen und staatliche Zuschüsse. Das ist etwas einfacher, da keine Regeln für die öffentliche Beschaffung vorliegen und eine freie Vergabe möglich ist.

Wie viele Aufträge haben Sie schon?

Kalnik: Wir haben sehr viele Anfragen aus ganz Deutschland. Derzeit warten wir noch, wie viele unserer Kunden, auf die Fertigstellung des TÜV Zertifikats, um die Anfragen und Aufträge vertraglich festzuhalten.

War es leicht, nach der EXIST -Förderung weitere Unterstützung als Start-up zu bekommen? Und welches waren dabei die größten Schwierigkeiten?

Kalnik: Während der EXIST-Zeit konnten wir unseren Businessplan ausarbeiten und in Kombination mit dem 1,2,3 Go Businessplanwettbewerb Rheinland-Pfalz auf ein sehr gutes Niveau heben. So haben wir im Anschluss an EXIST das Start.in.RLP-Gründerstipendium erhalten, was uns für das Jahr 2022 finanziell entlastet. Trotz ausgereiften Businessplan stellt die Finanzierung die größte Schwierigkeit dar, da es pandemiebedingt wenige Netzwerkveranstaltungen gab. Mit ausreichend Geduld und Motivation ist es uns dennoch gelungen passende Partner zu finden, die nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch wertvolle Kompetenzen und Erfahrungen mitbringen. Außerdem stehen wir voraussichtlich kurz vor unserer ersten Finanzierungsrunde, womit viele Prozesse hoffentlich beschleunigt werden.

Welches waren die größten Herausforderungen bei der Gründung?

Kalnik: Die Bürokratie war unsere größte Herausforderung. Es hat am Anfang sehr viel Zeit gekostet herauszufinden, um was wir uns alles kümmern müssen und was beachtet werden muss – von der Eintragung im Handelsregister über Geheimhaltungsvereinbarungen bis zum Rechtstext für unsere Website. Auch hier hat die EXIST-Expertise sehr geholfen.

Waren die operativen Rollen unter den Gründern von vornherein gleich klar?

Kalnik: Die grundlegenden Rollen waren von Anfang an klar. Allerdings kristallisieren sich bis heute Fähigkeiten bei jedem einzelnen Teammitglied heraus, die uns vorher überhaupt nicht bekannt waren. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass manche sehr gut Texte verfassen können und die anderen ein Talent für grafische Aufbereitungen haben. Dementsprechend passen wir die Rollen jedes Teammitglieds mit der Zeit an neue Kompetenzen an. Die Kernbereiche bleiben aber gleich.

Wie hat sich Ihr Unternehmen seit dem Start entwickelt, wie viele Mitarbeiter haben Sie inzwischen?

Kalnik: Vollzeit sind seit Beginn alle vier Gründer beschäftigt. Seitdem hat die Anzahl an Studenten, die uns bei unserem Vorhaben unterstützen, zugenommen. Im Schnitt sind immer drei Studenten bei uns beschäftigt.

Was hat man vor Augen, wenn man direkt nach dem Studium ein Unternehmen gründet, wenn man doch noch gar keine Erfahrungen in der Arbeitswelt hat?

Kalnik: Jeder von uns konnte durch Praktika, Werkstudententätigkeiten und Festanstellungen erste Erfahrungen sammeln. Dadurch haben wir für uns einen ausreichend großen Einblick bekommen, um guten Gewissens entscheiden zu können, dass Gründen der richtige Weg für uns ist.

Was würden Sie anderen Gründern raten?

Kalnik: Ein gutes Netzwerk, das einem mit Rat und Tat zur Seite steht, ist Gold wert. Daher können wir nur jedem raten, sich bestmöglich zu vernetzen, um von den Erfahrungen und Kompetenzen von anderen zu lernen. So lassen sich Fehler vermeiden und idealerweise sogar Abkürzungen nehmen. Zudem finden wir regelmäßige Meetings sinnvoll, um den eigenen Fokus und Projektplan zu kontrollieren. Bei all den vielen Aufgaben und Impressionen, die man in einem Start-up erlebt, kann es sonst schnell passieren, dass man beides aus den Augen verliert.

Können Sie sich vorstellen, noch einmal ein Unternehmen zu gründen, und was würden Sie anders machen?

Kalnik: Wir würden immer wieder ein neues Unternehmen gründen, wenn wir eine Idee haben, für die wir brennen. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es nicht viel, was wir anders machen würden. Wenn möglich würden wir von Anfang an, so viele Prozesse wie möglich auslagern, um den Fokus komplett aus das Kerngeschäft legen zu können. Allerdings ist dafür Kapital notwendig, das vor allem am Anfang eines Start-ups knapp ist.

Inwiefern hat die Pandemie Ihr Unternehmen beeinflusst?

Kalnik: Die Pandemie hat uns vor mehrere Herausforderungen gestellt, da vor allem die Materialpreise für Stahl und Holz deutlich gestiegen sind, die den Hauptanteil unserer Produkte ausmachen. Dadurch haben wir gezwungenermaßen gelernt, Fertigungs- und Montageprozesse kurzfristig zu optimieren, um sinkenden Margen entgegenzuwirken. Hinzu kommen stark verzögerte Lieferzeiten, die sich auf den Entwicklungsfortschritt ausgewirkt haben und unseren Vertrieb negativ beeinflussen. Aus diesem Grund versuchen wir unser Netzwerk in der Beschaffung auszubauen, um bessere Konditionen für uns und unsere Kunden zu erreichen. Zudem hat sich die Investorensuche schwieriger gestaltet, da viele Veranstaltungen nicht stattgefunden haben.

Stand: Juni 2022